Ende 2021 wurden in zahlreichen deutschen Bundesländern sogenannte „Solarpflichten“ beschlossen oder eingeführt, um den steigenden Klimaschutz-Anforderungen Rechnung zu tragen. Im Bundesland Baden-Württemberg gilt die Photovoltaik-Pflicht seit dem 1. Januar 2022 für alle Neubauten, zunächst allerdings nur für alle Nicht-Wohngebäude wie Firmendächer oder Parkplätze. Ab Mai sind dann aber auch private Häuslebauer gefordert. Doch was gibt es bei der Solardachpflicht Baden-Württembergs genau für Auflagen zu beachten?
Wenn von einer „Solarpflicht“ die Rede ist, muss in der Regel bei einem Neubau, bei einer Dachsanierung oder wenn ein großer Parkplatz gebaut wird, eine Solaranlage installiert werden. Mit dieser Auflage soll der Ausbau erneuerbarer Energien zur Energieerzeugung beschleunigt werden. Die verschiedenen Solardachpflichten haben dabei unterschiedliche Ausnahmeregelungen, aber eine Gemeinsamkeit: Gebäudeeigentümer werden dazu verpflichtet, die Investitionen in Sonnenenergie zur Stromgewinnung oder zum Heizen selbst zu tragen. Im Gegenzug beziehungsweise als finanzielle Unterstützung gibt es allerdings staatliche Förderprogramme, sei es durch die Vergütung des Gesetzes zur Förderung der erneuerbaren Energien (EEG) oder durch Zuschüsse wie bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG).
Eine bundeseinheitliche Pflicht zur Installation einer Solaranlage gibt es nicht, die Entscheidung zu einer solchen liegt vielmehr auf Landesebene. Die sogenannten Photovoltaik-Pflichten können zudem je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet sein. Waiblingen war im Jahr 2006 die erste Stadt in Deutschland, die für Neubauten eine Solaranlagenpflicht einführte. Tübingen arbeitet seit 2018 mit einem Zwischenerwerbsmodell für Grundstücke, die neu zu bebauen sind: Der Käufer sichert bei der Weiterveräußerung zu, dass eine Photovoltaikanlage installiert wird. Ende 2021 haben schließlich auch die Bundesländer Bayern, Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz per Gesetz eine Solardachpflicht beschlossen beziehungsweise schon eingeführt. In Bremen und Schleswig-Holstein ist sie für 2022 geplant. In den Bundesländern Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gab es bis 2021 dagegen noch keine konkreten Pläne für die Einführung einer Baupflicht von Solaranlagen.
Im Bundesland Baden-Württemberg gilt gemäß des Klimaschutzgesetzes Baden-Württemberg (KSG BW) seit dem 1. Januar 2022 die Pflicht, sogenannte Photovoltaikanlagen auf Dächern von neu gebauten „Nichtwohngebäuden“ wie Lagerhallen, Bürogebäuden oder Schulen zu installieren. Seit Anfang des Jahres müssen auch auf neuen Parkplätzen Photovoltaikanlagen installiert werden. Bislang galt dies für eine Größe ab 75 Stellplätzen, nun wurde die Stellplatzanzahl allerdings auf 35 Stellplätze gesenkt. Für alle privaten Neubauten wird ab dem 1. Mai 2022 eine Photovoltaik-Pflicht für Eigentümer von neuen Wohngebäuden gelten, ab dem 1. Januar 2023 müssen dann auch die Eigentümer einer privat genutzten Immobilie in Baden-Württemberg bei einer grundlegenden Dachsanierung eine Solarstromanlage errichten. Nach diesem Stichtag gilt die Solarnutzungspflicht in Baden-Württemberg ebenfalls für die ab diesem Zeitpunkt gestellten Bauanträge.
Die neuen Regelungen beim privaten Hausbau gelten allerdings nicht für jedes Bauvorhaben. Von der Photovoltaikpflicht ausgenommen sind Häuser mit einer zusammenhängenden Dachfläche, die kleiner als 20 Quadratmeter ist, genauso wie Häuser, deren Dächer nicht zwischen 20 und 60 Grad geneigt sind. Aber auch die Ausrichtung des Daches spielt eine Rolle: Wenn die Dachfläche nicht hinreichend der Sonne ausgesetzt ist und somit nicht genug Energie produziert werden kann, fällt die Pflicht zur Solaranlage weg.
Das Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg (KSG BW) regelt in §1, was der Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung ist. Im Gesetzeswortlaut heißt es: „Zweck dieses Gesetzes ist es, im Rahmen der internationalen, europäischen und nationalen Klimaschutzziele einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz durch Reduzierung der Treibhausgasemissionen hin zu Netto-Treibhausgasneutralität zu leisten und zugleich zu einer nachhaltigen Energieversorgung beizutragen. Mit diesem Gesetz sollen Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen hin zu Netto-Treibhausgasneutralität für Baden-Württemberg formuliert, die Belange des Klimaschutzes konkretisiert und notwendige Umsetzungsinstrumente geschaffen werden.
Das Umweltministerium in Stuttgart wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Sonnenenergie mit einem Anteil von gut 14 Prozent den Spitzenplatz unter den erneuerbaren Energien im Land belegt und in den nächsten Jahren deutlich weiter ausgebaut werden soll. „Hierzu soll hauptsächlich das bislang nur zu etwa 20 Prozent genutzte Potenzial auf Dächern weiter für die Solarenergienutzung erschlossen werden", sagte eine Sprecherin des Ministeriums unter der Leitung von Thekla Walker (Grüne), Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg. Walker selbst sagte, die Photovoltaik sei neben der Windenergie ein wesentlicher Bestandteil, um die erneuerbaren Energien auszubauen, Versorgungssicherheit zu schaffen und die Klimaschutzziele zu erreichen. „Nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung wird es uns gelingen, die Klimakrise zu stoppen", mahnte Thekla Walker.
Die Erfüllung der PV-Pflicht wird nachgewiesen, indem die erfolgreiche Registrierung im Marktstammdatenregister, bestätigt durch die Bundesnetzagentur, an die untere Baurechtsbehörde übermittelt wird.
Nein, alle Solarpflichten gelten frühestens ab der Verabschiedung des jeweiligen Gesetzes. Eine rückwirkende Pflicht zur Installation einer Solaranlage gibt es nicht und widerspricht in der Regel auch dem Grundsatz des Rückwirkungsverbots.
„Baden-Württemberg ist ein Sonnenland“, sagte Ministerin Walker zur Einführung des neuen Gesetzes. „Sonnenstrom ist schon heute die Stütze der Energiewende in Baden-Württemberg und wir nehmen hier bereits heute bundesweit eine Spitzenposition ein.“ Die Ministerin ergänzte zudem, dass das „kleine Kraftwerk auf dem Dach“ nicht nur dem Klima hilft, sondern am Ende auch noch Geld spare. Denn der gewonnene Strom aus Sonnenenergie kann selbst verwendet oder verkauft werden.
Das Bundesland Baden-Württemberg hat sich mit dem novellierten Klimaschutzgesetz vom Sommer 2021 jedenfalls das ambitionierte Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 klimaneutral zu sein und damit fünf Jahre früher als der Bund und zehn Jahre früher als die EU. Bereits 2030 soll eine Treibhausgasreduktion um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 erfolgen. Zum Erreichen dieses Ziels braucht es jedoch zwingend die Energiewende. Neben der Windenergie ist die Photovoltaik dafür ein wichtiger Player und die Aussichten sind durchaus gut: Die Photovoltaik liegt in Baden-Württemberg bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien an der Spitze im Land mit einer neu installierten Leistung von mehr als 600 MW Peak allein im Jahr 2020 – im Vergleich zu 2019 somit ein Zubau-Plus von fast 40 Prozent und gegenüber 2018 sogar mehr als eine Verdopplung der jährlichen Zubau-Rate.
Baden-Württemberg trägt als Industrieland aber auch 0,2 Prozent zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Claus Paal (CDU) sagte in diesem Kontext: „Ein mittelständisches Unternehmen kann seinen CO2-Verbrauch nicht so schnell halbieren“. Bei den neuen Gesetzen geht es insofern eher darum, der hiesigen Wirtschaft bei der ökologischen Transformation zu helfen.
Eine große Herausforderung wird allerdings sein, die Solaranlagen in alte Gebäude einzubauen. Jörg Knapp vom Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg sagte dazu: „Das bedeutet, dass die Anlagen auf dem Dach, am Gebäude oder auf dem Gelände untergebracht werden müssen und ein geeigneter Platz gefunden werden muss. Darüber hinaus müssen die notwendigen Leitungen im Gebäude verlegt werden, was jedoch alles nicht ohne Eingriffe in die vorhandene Bausubstanz möglich ist.“ Eine weitere Schwierigkeit komme häufig bei der Überprüfung der Elektrik hinzu, denn bei vielen älteren Gebäude werde der Umbau des E-Verteilerkastens notwendig, so Knapp weiter. Und: „Bei der Solarthermie sind Speicher notwendig, für die ebenfalls ein ‚Plätzchen‘ gefunden werden muss.“ Die größte Aufgabe der Klimaschutzpolitik sei für ihn aber, die Menschen mitzunehmen, insbesondere bei den Investitionskosten.
Unser Fazit lautet jedenfalls:
Ein selbstverständlicher Durchmarsch wird die baden-württembergische Solardachpflicht sicherlich nicht. Fest steht aber: Will das Land seine Klimaziele erreichen, führt an einem kräftigen Ausbau der erneuerbaren Energien kein Weg vorbei.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die stuttgarter immobilienwelt ist eine Fachzeitung rund um das Thema Immobilien in Stuttgart und in der Region mit dem Ziel, den Stuttgarter Immobilienmarkt transparenter zu machen und lokal zu informieren.
Kontaktieren Sie uns: kontakt@stuttgarter-immobilienwelt.de
© Copyright 2021 - stuttgarter immobilienwelt