Digitales Bauen – Wie sieht die Bauform von morgen aus?

Digitales Bauen – Wie sieht die Bauform von morgen aus?

Während die Digitalisierung in vielen Branchen immer weiter und schneller voranschreitet, bestimmen dagegen auf deutschen Baustellen noch immer Notizblöcke, Stifte und Mobiltelefone die Arbeitsabläufe. Allerdings könnte auch in der Baubranche bald eine neue Epoche anbrechen, die dem Sektor an sich, aber auch zahlreichen Bauherren viele Vorteile bieten und die gesamte Branche grundlegend umkrempeln würde.

Wie digitales Bauen Effizienz und Wachstum verspricht

Wohl nur wenige Menschen assoziieren die Baubranche mit dem Trendthema Digitalisierung, und tatsächlich hat diese - vor allem im Vergleich mit anderen Branchen - im Handwerk noch nicht so richtig Einzug gehalten. Dabei liegen die Vorteile digitaler Lösungen für das Bauwesen eigentlich und grundsätzlich doch auf der Hand. Schließlich müssen hier oft mehrere Drahtzieher unterschiedlichster Unternehmen höchst komplexe Projekte aufeinander abstimmen. Digitale Lösungen wie Apps, Computersoftware und Roboter könnten deswegen besonders bei größeren Bauprojekten neue und interessante Wege schaffen, denn dadurch könnten bestimmte Arbeiten völlig autonom und oft auch schneller als von Menschenhand erledigt werden. Auch künstliche Intelligenz ist bestens dazu geeignet, auf einer Baustelle große Datenmengen zu erfassen und zu analysieren – nicht eingehaltene Zeitpläne und falsch kalkulierte Budgets sind immerhin ganz typische Probleme, die vor allem bei Großprojekten für viel Ärger sorgen. Das beeindruckendste Beispiel dafür ist wahrscheinlich der Flughafen Berlin-Brandenburg, bei dessen Bau unglaublich viel Zeit und Geld verschwendet wurde.

Bestätigende Umfragewerte

Dass digitale Lösungen rund um den Bau definitiv attraktiv und lohnenswert sein können, zeigen auch die Ergebnisse einer Befragung zur Digitalisierung in der Bauindustrie, die kürzlich von der Unternehmensgruppe PwC durchgeführt wurde. Sie befragte zu diesem Thema insgesamt 100 Unternehmen aus den Bereichen Planung & Design, Bau und Anlagenbau. Die Auswertung ergab, dass zurzeit lediglich nur jedes fünfte Bauunternehmen in Deutschland über solide Fähigkeiten und Methoden zum digitalen Planen und Bauen verfügt. Obwohl mehr als 70 Prozent der befragten Bauunternehmen enorm großes Potenzial in dem Zukunftsmodell digitales Bauen sehen.

Digitales Bauen auch für kleinere Unternehmen interessant

Sollten sich digitale Lösungen bei Großprojekten durchsetzen und bewähren, dürften diese neuen Methoden in naher Zukunft auch verstärkt auf privaten Baustellen zu finden sein, auf denen in der Regel kleinere Unternehmen und individuelle Handwerksbetriebe tätig sind. Insbesondere bei der Projektsteuerung und der Dokumentation von einzelnen Arbeitsschritten könnte eine digitale Vorgehensweise sehr hilfreich sein. Ein Praxis-Beispiel ist in diesem Kontext das Zusammenspiel von Bodenlegern und Schreinern: Wenn Bodenleger die Höhe des verwendeten Bodenbelags bereits in der Software hinterlegt haben, kann diese die Schreiner gegebenenfalls und umgehend darauf hinweisen, dass sich die Maße für einige oder sogar für alle Türen verändern könnten. Eine App, in der Handwerker Maße sowie freie Zeitslots eintragen können oder in der die Kommunikation zwischen Auftraggebern und Handwerkern oder Bauleitern in Echtzeit abläuft, ist sogar schon heute naheliegend. Weil Bauwirtschaft und Handwerk momentan aber noch nicht ausreichend digitalisiert sind, wird das Vorankommen in diesem Sektor jedoch vor allem von Dienstleistern abhängen, die ihre aktuell auf diesem Gebiet noch etwas rückständige potenzielle Kundschaft abholt und sie kompetent in die digitale Zukunft begleitet.

Hürden und Vorteile

Das Modell vom digitalen Bauen impliziert jedoch auch einige Hürden. Das bestätigte die Auswertung der Umfrage der Unternehmensgruppe PwC. Es kristallisierte sich heraus, dass diese Bauform vor allem aus technischer Sicht tendenziell ziemlich anspruchsvoll ist. Das bestätigten fast zwei Drittel der befragten Experten (63 Prozent). Über die Hälfte der befragten Personen (52 Prozent) hielt digitales Bauen zudem für recht aufwändig in der Umsetzung. Weitere große Herausforderungen seien nach Einschätzung der Unternehmen fehlende Fachkräfte (52 Prozent) sowie hohe finanzielle Investitionen (48 Prozent). Außerdem gaben mehr als drei Viertel der Teilnehmer zu bedenken, dass sich die Kosten der technischen Implementierung im Vorfeld schlecht und ungenau einschätzen ließen.

Auf der anderen Seite liegen die Vorteile von digitalen Baulösungen für alle Beteiligten quasi auf der Hand: Digitales Bauen kann zu Kosteneffizienz, Termintreue und kundenorientierten Prozessen entscheidend beitragen, weil die Daten für alle am Bauprojekt Beteiligten zugänglich sind und somit Zeitpläne, Kosten und Risiken einfacher, früher und präziser ermittelt und kontrolliert werden können. Auch diese Tendenzen bestätigten die von PwC befragten Experten: 39 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass digitales Bauen auf jeden Fall zu effizienteren Arbeitsabläufen führe, je 36 Prozent nannten die kürzeren Planungs- und Bauzeiten sowie eine bessere Zusammenarbeit zwischen allen Baubeteiligten als unbestrittene und offensichtliche Vorteile.

Nutzung digitaler Methoden beschäftigt auch das Verkehrsministerium

Um digital gebaute Projekte in Deutschland voranzutreiben, forderten 61 Prozent der Befragten der PwC-Umfrage einen schnelleren Ausbau der digitalen Infrastruktur. Mehr als die Hälfte sahen zudem eine finanzielle Förderung durch den Bund sowie mehr Anreize seitens der Auftraggeber für eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit als sehr wichtig an. Knapp jeder Zweite plädierte für mehr Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, um den Einsatz und die Qualität von digital gebauten Projekten in der Bundesrepublik zu verbessern.

Auf Regierungsebene wird die durchgängige Digitalisierung aller planungs- und realisierungsrelevanten Bauwerksinformationen als virtuelles Bauwerksmodell mit Building Information Modeling – kurz BIM – umschrieben. Um BIM in der Bundesrepublik Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, legte das deutsche Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur schon am 15.12.2015 einen Stufenplan vor. Dieser gilt in erster Linie für den Infrastrukturbau und den infrastrukturbezogenen Hochbau, er kann und sollte aber auch in anderen Bereichen als Modell genutzt werden. Der Stufenplan beschreibt unter anderem das geforderte Leistungsniveau und listet die jeweiligen Maßnahmen auf, die zur Vorbereitung der breiten Einführung ergriffen werden sollten.

In drei Stufen zum digitalen Bauen

Der sogenannte Drei-Stufen-Plan sah bis 2017 als erste Stufe eine Vorbereitungsphase vor, in der Standardisierungsmaßnahmen durchgeführt und Leitfäden, Checklisten und Muster erarbeitet wurden. Für diese erste Phase stellte das Bundesministerium für Verkehr ein Budget in Millionenhöhe zur Verfügung. Bis 2020, also in der zweiten Stufe, wurden die schon laufenden Pilotprojekte deutlich erweitert, um über alle Planungs- und Bauphasen hinweg noch mehr Erfahrungen sammeln zu können. Finanzielle staatliche Unterstützung gab es diesmal in zweistelliger Millionenhöhe. Alle Projekte wurden wissenschaftlich begleitet und detailliert ausgewertet. Im Rahmen dieser Pilotprojekte erprobte zum Beispiel die Deutsche Bahn die Methodik beim Rastatter Tunnel im Projekt Karlsruhe-Basel sowie bei der Filstalbrücke im Neubauprojekt Wendlingen-Ulm. In der derzeitigen dritten Stufe, die seit 2020 läuft, soll BIM im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Verkehr bei neu zu planenden Projekten nun regelmäßig angewandt werden.

Wird digitales Bauen bald überall zur Pflicht?

Heute steht so gut wie fest, dass in Zukunft Bauunternehmen am digitalen Bauen kaum mehr vorbeikommen werden. Seit 2020 ist BIM schon bei allen neuen öffentlichen Infrastrukturprojekten in Deutschland Pflicht, aber auch viele andere Ausschreibungen sehen den Einsatz von BIM bereits vor. Im Rahmen der PwC-Umfrage gaben circa 60 Prozent der Befragten an, dass BIM in den vergangenen zwölf Monaten auch schon in diversen Ausschreibungen gefordert war, nämlich durchschnittlich bei zehn Prozent aller Projekte. Die Teilnehmer der Umfrage waren sich zudem einig, dass das digitale Bauen die Baubranche in Zukunft prägen wird. Genauer gesagt gehen sechs von zehn Befragten davon aus, dass sich die Branche durch den Einsatz von BIM in den kommenden fünf Jahren grundlegend verändern wird. Jeder zweite Teilnehmer rechnet damit, dass sich das grundlegende Geschäftsmodell der Branche durch BIM zukünftig zumindest stark wandeln wird.

Geschäftsprozesse und das Projektmanagement ganzheitlich integrieren

Was bedeutet diese Tendenz also nun für die Unternehmen der Branche? Sicher ist: Wer gut für die Zukunft gerüstet sein möchte, sollte global und unternehmensübergreifend denken und handeln. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre BIM-Strategie nicht nur für das eigene Unternehmen, sondern auch für alle relevanten Projektpartner berücksichtigen sollten. Bauunternehmen sollten in diesem Zusammenhang externe Expertise in Anspruch nehmen, die das neue Zeitalter des digitalen Bauens durch ein entsprechendes Change-Management, Training, die Einführung neuer Soft- und Hardware sowie den Aufbau von IT-Fähigkeiten innerhalb der einzelnen Projektteams begleiten könnten, rät PwC.

Immerhin gaben 39 Prozent der Teilnehmer der PwC-Umfrage an, eine solche Strategie für das Thema digitales Bauen momentan zu erarbeiten. Extrem großes Wachstumspotenzial haben auf jeden Fall Unternehmen, die heute schon Lösungen auf diesem Gebiet im Angebot haben und damit den Branchennerv der Zukunft treffen.

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