Grundsteuerreform: Immobilienbesitzer müssen schon 2022 aktiv werden

Grundsteuerreform: Immobilienbesitzer müssen schon 2022 aktiv werden

Wer ein Haus, eine Wohnung oder ein Grundstück hat, zahlt für seinen Besitz jedes Jahr die sogenannte Grundsteuer. Diese wird zwar erst zum 1. Januar 2025 reformiert, aber sorgt schon im Jahr 2022 dafür, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien und Grundstücken den zuständigen Behörden aktiv zuarbeiten müssen.

Grundsätzlich gilt: Wer eine Immobilie oder ein Grundstück sein Eigen nennt, muss die auf diesen Besitz anfallende Grundsteuer jährlich bzw. quartalsweise abführen. Wer zur Miete wohnt, kommt indirekt dafür auf – denn Eigentümer:innen legen die Grundsteuer in der Regel als Teil der Betriebskosten oft auf ihre Mietparteien um, sofern dies im Mietvertrag so geregelt wurde. Der Sinn der Grundsteuer besteht darin, dass durch Grundstücke Kosten für die Gemeinden entstehen – zum Beispiel durch Ausgaben für die Infrastruktur. Durch die Steuer sollen die Eigentümer:innen an diesen Kosten beteiligt werden: Die Kommunen nehmen viele Milliarden Euro jedes Jahr durch sie ein. Im vergangenen Jahr sollen das insgesamt zirka 14 Milliarden Euro gewesen sein.

Verfassungswidrige Richtlinien

Die Grundsteuerreform ist also ein Thema, das zumindest indirekt fast jeden Menschen in Deutschland betrifft. Allerdings war die Grundsteuerreform vielen Deutschen wohl nur am Rande bekannt, bis das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 eine grundlegende Entscheidung fällte. Denn am 10. April 2018 entschieden die Richter aus Karlsruhe, dass die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form grundgesetzwidrig und damit verfassungswidrig sei. In ihrer Begründung führten sie an, dass die Werte, aufgrund derer sich die Steuer bemisst, völlig überaltert seien. Das sei ungerecht und verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im deutschen Grundgesetz.

Fakt ist, dass bis dato in den neuen Bundesländern die Einheitswerte der Grundsteuer der 30er Jahre und in den alten Bundesländern die aus den 60er Jahren zugrunde gelegt werden. Ursprünglich sollten diese Werte alle sechs Jahre erneuert werden, um Veränderungen von Bausubstanzen und des Umfeldes zu berücksichtigen. Wegen der aufwendigen Berechnungsmethode ist es jedoch nie zu Neubewertungen gekommen.

Deshalb ordneten die Richter des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Urteil aus dem Jahr 2018 eine grundlegende Reform der Steuer an und forderten den deutschen Gesetzgeber auf, bis Ende 2019 eine Neuregelung der Steuer festzusetzen, um die bedeutende Einnahmequelle für die Gemeinden auch über das Jahr 2019 hinaus zu erhalten, aber eben auch zeitgemäßer zu berechnen. Die Karlsruher Richter setzten in diesem Zusammenhang jedoch auch eine zweite Frist: Bis Ende 2024 sollen die circa 36 Millionen Grundstücke in Deutschland neu bewertet sein. Zum 1. Januar 2025 wird die neue Grundsteuerreform dann als verfassungsfeste Regelung in Kraft treten.

Umstrittene Lösungswege

Vier verschiedene Modelle, auf denen die Neu-Berechnung der Grundsteuer zukünftig basieren soll, wurden daraufhin heiß diskutiert. Keines der Modelle erwies sich jedoch als einvernehmlich überzeugend. Einig war man sich nur darüber, dass die veralteten Bemessungsgrundlagen aus den Jahren 1935 (Ost) und 1964 (West) durch neue Datensätze ersetzt werden müssen, um damit jedes einzelne Grundstück in Deutschland neu zu bewerten.

Diese Einigung wiederum beschert Haus- und Grundstücksbesitzern eine besondere Pflicht für das Jahr 2022: Sie müssen nun eine eigene Steuererklärung beziehungsweise eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts bei ihrem zuständigen Finanzamt einreichen. Wie der Immobilienverband Deutschland (IVD) mitteilte, soll das zwischen dem 1. Juli und 31. Oktober 2022 geschehen – und zwar ausschließlich per Elster-Verfahren auf dem elektronischen Weg. Wer also bei Elster, der kostenlosen Online-Steuersoftware der deutschen Finanzämter, noch nicht registriert ist, sollte sich rechtzeitig darum kümmern. Alternativ können Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer aber ebenso einen Steuerberater mit dieser Registrierung beauftragen.

Die von der Neuregelung der Grundsteuerreform direkt betroffenen Personen erhalten aber auch Post von ihrem Finanzamt, welches sie zur Abgabe der Steuererklärung auffordert, oder werden über eine sogenannte Allgemeinverfügung öffentlich informiert. Zur Auskunft verpflichtet sind Besitzer:innen von bebauten und unbebauten Grundstücken, von Eigentumswohnungen sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Mit rund 36 Millionen neu zu bewertenden „wirtschaftlichen Einheiten", wie es das Bundesfinanzministerium formuliert, geht es bei diesem Vorhaben um eines der größten Projekte der Steuerverwaltung in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Regelung der Grundsteuer ist Ländersache

Welche genauen Daten Immobilien- und Grundstücksbesitzer:innen in der Steuererklärung angeben müssen, ist allerdings nicht bundeseinheitlich geregelt. 2019 hatte der Bundestag zwar das sogenannte Bundesmodell beschlossen, aber ließ gleichzeitig auch allen Bundesländern offen, von diesem Modell abzuweichen und ein eigenes System anzuwenden.

Bundesmodell oder nicht Bundesmodell?

Die neun Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben sich der Grundsteuer-Regelung des Bundes komplett angeschlossen. Sachsen und das Saarland nutzen ebenfalls das Bundesmodell, weichen jedoch bei der Höhe der Steuermesszahlen ab.

In all diesen elf Bundesländern orientiert sich die Steuerberechnung am Wert des Bodens (der aus dem Bodenrichtwert-Informationssystem ersichtlich wird), einer statistisch ermittelten Kaltmiete, an der Grundstücksfläche, der Wohnfläche sowie der Art und dem Alter des Gebäudes. Über diese Daten müssen Besitzer:innen von Immobilien und Grundstücken also in ihrer Steuererklärung 2022 Auskunft geben.

Zusätzlich müssen sie aber auch Gemarkung und Flurstück angeben. Die Gemarkung ist im Grundbuch vermerkt und bezeichnet das Gebiet, in dem sich das Grundstück befindet. Sie setzt sich aus mehreren sogenannten Fluren zusammen, die wiederum aus verschiedenen Grundstücken oder Flurstücken bestehen. Ein Grundstück kann folglich mehrere Flurstücke umfassen.

Bei der Kaltmiete gilt für Wohneigentum dabei derselbe Wert wie für Mietwohngrundstücke. Ein Garagenstellplatz – egal ob Einzel- oder Tiefgarage – hat einen festen Kaltmietenwert von 35 Euro.

Wer dagegen in einem Bundesland eine Immobilie besitzt, welches das Bundesmodell nicht übernommen hat (also Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen), muss nur Angaben über die Flächen des Grundstücks und des Gebäudes sowie über die Lage des Grundstücks machen.

Wie wird die neue Grundsteuer berechnet?

Anhand der kommunizierten Daten ermitteln die Finanzämter den Grundsteuerwert, der mit einer gesetzlich festgeschriebenen Steuermesszahl multipliziert wird. Aus diesem ergibt sich der Grundsteuermessbetrag. Die Finanzämter schicken den Eigentümern in der Regel Bescheide über den Grundsteuerwert und den Grundsteuermessbetrag, aus denen sich zunächst keine Zahlungsaufforderungen ergeben. Anschließend verrechnen die Ämter die Daten allerdings mit den Hebesätzen der Kommunen, die weiterhin das letzte Wort über die Höhe der Grundsteuer haben. Diese Hebesätze können von Gemeinde zu Gemeinde stark variieren: So ermittelte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zum Beispiel, dass die Höhe der Grundsteuer für ein Haus mit 125 Quadratmetern Wohnfläche und einem 500 Quadratmeter großen Grundstück in den 100 größten deutschen Städten zwischen 323 Euro (Gütersloh) und 771 Euro (Witten) berechnet werden kann.

Wie hoch die neue Grundsteuer für jede Eigentümerin oder jeden Eigentümer dann tatsächlich ausfallen wird, wird aus dem Grundsteuerbescheid ersichtlich, welche die Stadt oder die Gemeinde jedem Eigentümerhaushalt zustellt. Zwar soll der Hebesatz so angepasst werden, dass die Grundsteuerreform die Einnahmen für die Kommunen nicht ändert, trotzdem dürften einzelne Steuerpflichtige mehr oder weniger Grundsteuer zahlen, als sie es bisher tun.

Hebesatz: Es kann teuer werden!

Für alle Bundesländer wird gelten: Die Höhe des Hebesatzes legen die Kommunen weiterhin selbst fest. Der Hebesatz der Gemeinde bestimmt als Prozentsatz am Ende der Berechnung die tatsächliche Höhe der zu zahlenden Grundsteuer. Passt die Gemeinde ihren Hebesatz nicht der neuen Berechnungsmethode des Bundeslandes an, kann es zu massiven Grundsteuererhöhungen kommen.

Baden-Württemberg: Grundsteuer wird nach dem modifizierten Bodenwertmodell berechnet

Das Bundesland Baden-Württemberg nahm, wie schon erwähnt, die sogenannte Öffnungsklausel des Bundesverfassungsgerichts in Anspruch und entschied sich für ein „modifiziertes Bodenwertmodell“, weil das Bundesmodell als zu kompliziert empfunden wurde. Das eigene Modell mag einfacher zu berechnen sein, aber kann im Einzelfall zu einer deutlich höheren Grundsteuer führen als das Bundesmodell.

Was bedeutet der Begriff „modifiziertes Bodenwertmodell“?

Für die Berechnung der Grundsteuer nach dem modifizierten Bodenwertmodell kommt es auf zwei Werte an: die Grundstücksfläche und den Bodenrichtwert. Der aus Grundstücksfläche und Bodenrichtwert ermittelte Bodenwert wird dann mit der Steuermesszahl multipliziert. Diese liegt grundsätzlich bei 1,3 ‰. Als Ergebnis erhält man den Grundsteuerwert, der noch mit dem Hebesatz der Gemeinde multipliziert wird.

Dabei spielt die Art der Bebauung für die Bewertung grundsätzlich keine Rolle. Es sei denn, ein Grundstück wird überwiegend zu Wohnzwecken genutzt. Dann sieht das Landesgrundsteuergesetz einen Bewertungsabschlag vor: Die Steuermesszahl von 1,3 ‰ reduziert sich in diesem Fall um 30 % auf 0,91 ‰ (§ 40 Abs. 2 und 3 LGrStG). Eine überwiegende Nutzung zu Wohnzwecken liegt nach dieser Regelung vor, wenn der Anteil der Wohnnutzung an der gesamten Wohn- und Nutzfläche den Anteil der wohnfremden Nutzung übersteigt.

Bei Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern, Mietwohngrundstücken und Wohneigentum sind diese Voraussetzungen normalerweise eindeutig erfüllt. Handelt es sich dagegen um ein gemischt genutztes Grundstück und befinden sich dort neben Wohnungen auch Gewerbe-, Büro oder Praxisräume, muss im Einzelfall ermittelt werden, ob eine Wohnnutzung überwiegt oder eben nicht.

Hier ein Beispiel, wie die neue Grundsteuerreform für das Wohneigentum einer Familie in Baden-Württemberg berechnet werden würde:

Familie Müller bewohnt in Baden-Württemberg ein Einfamilienhaus, das auf einem 500 Quadratmeter großem Grundstück steht. Der Bodenrichtwert beträgt 305 Euro pro Quadratmeter. Für Familie Müller würde sich der Grundsteuerwert dann folgendermaßen berechnen:

  • 500 Quadratmeter × 305 Euro pro Quadratmeter = 152.500 Euro
  • 152.500 Euro × 0,91 ‰ = 138,78 Euro
  • Beträgt der Hebesatz der Gemeinde zum Beispiel 400 %, zahlt Familie Müller pro Jahr 555,10 Euro Grundsteuer.

Wie teuer wird die neue Grundsteuerreform für Eigentümer und Mieter?

Mit dem Inkrafttreten der neuen Grundsteuer am 1.Januar 2025 könnte sich die Steuerlast für Eigenheimbesitzer erheblich verändern, aber auch zu steigenden Mieten führen. Fest steht zumindest: Gezahlt wird die Grundsteuer weiterhin von den Immobilieneigentümern, die sie (noch) auf ihre Mieterinnen und Mieter umlegen dürfen. Bis zum 31.12.2024 gelten weiterhin die alten Grundstückswerte von 1935 (Ostdeutschland) und 1964 (Westdeutschland): Erst wird der Wert eines Gebäudes oder Grundstücks ermittelt, dann der Grundsteuerwert mit der Steuermesszahl und mit dem Hebesatz der Kommunen multipliziert.

Die Kommunen werden mit ihren Hebesätzen die Höhe der Abgabe auch nach dem Stichtag 1.1.2025 bestimmen – ganz unabhängig von ihrem gewählten Modell. Dadurch kann sich die Grundsteuer für die gleiche Immobilie je nach Wohnort allerdings zum Teil um Hunderte Euro unterscheiden, Eigentümer von Mietshäusern müssen oft vierstellige Beträge bezahlen. Die Hebesätze können außerdem jederzeit geändert werden.

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