Wer seine Traumimmobilie gefunden hat, sich mit dem Verkäufer einig geworden ist und die Finanzierung steht, hat eigentlich Grund zur Freude. Doch selbst wenn die Tinte unter dem Kaufvertrag schon getrocknet ist, ist es für einen Immobilienkäufer nicht zu 100 Prozent sicher, dass er das Haus, die Wohnung oder ein Grundstück auch wirklich bekommt. Denn wenn ein sogenanntes Vorkaufsrecht für eine Immobilie besteht, kann ein Eigentümer nicht frei darüber entscheiden, an wen die Immobilie tatsächlich verkauft wird. Hier erfahren Sie, welche Arten von Vorkaufsrecht es gibt und ob sich ein Vorkaufsrecht auch aushebeln lässt.
Ein Vorkaufsrecht regelt ein dokumentiertes Kaufinteresse einer bestimmten Person an einem Grundstück, einer Immobilie oder an einer Sache. Im Falle eines Grundstücks oder einer Immobilie hat die vorkaufsberechtigte Person das Recht, das Grundstück oder die Immobilie im Verkaufsfall vor allen anderen Interessenten zu erwerben. Besteht also für eine Immobilie oder ein Grundstück ein Vorkaufsrecht, so muss der Verkäufer den Vorkaufsbegünstigten über den anstehenden Verkauf informieren beziehungsweise, wenn er schon einen Kaufvertrag mit einem Käufer abgeschlossen hat, diesen schnellstmöglich dem Vorkaufsbegünstigten vorlegen. Wenn der Vorkaufsbegünstigte sein Vorkaufsrecht ausüben möchte, kann er den Kaufvertrag anstelle des ursprünglichen Käufers übernehmen, einschließlich aller bereits vereinbarten Konditionen. Mit anderen Worten bedeutet das: Ein Vorkaufsberechtigter darf sich quasi - ganz legal - bei einem Immobilienkauf vor allen anderen Interessenten vordrängeln. Dies gilt insbesondere, wenn der Vorverkaufsrechtbegünstigte als Mieter in einer Immobilie wohnt, die verkauft werden soll.
Grundsätzlich wird zwischen vier verschiedenen Formen des Vorkaufsrechts unterschieden. Es gibt das dingliche, das schuldrechtliche, das öffentlich-rechtliche und das gesetzliche Vorkaufsrecht.
Das dingliche Vorkaufsrecht gilt ausschließlich für Grundstücke, aber nicht für darauf stehende Gebäude. Es ist in den §§ 1094 bis 1104 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt und wird direkt im Grundbuch vermerkt. Eine Besonderheit ist, dass die Eintragung ins Grundbuch gleichzeitig als Vormerkung fungiert. Damit hat der Vorkaufsberechtigte sogar dann noch das Recht, die Übertragung des Grundstückes zu verlangen, wenn ein anderer Käufer (der sogenannte Erstkäufer) bereits im Grundbuch eingetragen wurde. Gut zu wissen: § 473 BGB regelt, dass das dingliche Vorkaufsrecht nicht vererbbar ist - es sei denn, die Vererbbarkeit wurde vom Erblasser vor seinem Ableben im Grundbuch vermerkt.
Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht, geregelt in den §§ 463 bis 473 BGB, gilt sowohl für bewegliche als auch unbewegliche Sachen. Unter die unbeweglichen Sachen fallen dabei Grundstücke, während Häuser und Eigentumswohnungen vom Gesetz als bewegliche Sachen betrachtet werden. Bei einem schuldrechtlichen Vorkaufsrecht erfolgt jedoch, anders als beim dinglichen Vorkaufsrecht, kein Eintrag in das Grundbuch, denn es wird ausschließlich vertraglich zugesichert. Wird also bei einem schuldrechtlich bestehenden Vorkaufsrecht der Vorkaufsberechtigte übergangen und der Erstkäufer ins Grundbuch eingetragen, dann bleibt die Immobilie in dessen Eigentum. In solch einem Fall kann der Vorkaufsberechtigte jedoch Schadensersatz vom Verkäufer verlangen.
Bei einem öffentlich-rechtlichen Vorkaufsrecht gemäß den §§ 24 bis 28 des Baugesetzes (BauGB) „gehört“ der Gemeinde das Vorkaufsrecht. Aber auch aus anderen Gesetzen, wie dem Naturschutz-, Denkmalschutz-, Reichssiedlungs-, Eisenbahngesetz oder sogar dem Wasserrecht können sich öffentlich-rechtliche Vorkaufsrechte ergeben. Für die Inanspruchnahme eines solchen Rechts braucht die Gemeinde allerdings einen triftigen Grund. Dieser ist unter anderem gegeben, wenn das Ausüben des Vorkaufsrechts dem Allgemeinwohl dient; wenn beispielsweise eine Fläche für eine umweltschützende Ausgleichsmaßnahme, wie eine Aufforstung, vorgesehen ist. Das öffentlich-rechtliche Vorkaufsrecht gilt jedoch nicht, wenn der Kaufinteressent ein Verwandter des Verkäufers ist. Dann darf die Gemeinde nicht dazwischenfunken.
Wer sich in seiner Wohnung oder in seinem Haus so richtig wohlfühlt, bekommt in den meisten Fällen einen gehörigen Schock, wenn der Eigentümer seine vermietete Immobilie verkaufen will. Schließlich ist der Wohnungsmarkt vielerorts hart umkämpft und ein Umzug kostet viel Zeit, Geld und Nerven. Gemäß §577 BGB bietet das gesetzliche Vorkaufsrecht Mietern die Chance, beim Verkauf einer Immobilie als Erste zuzuschlagen. Ein Immobilieneigentümer muss also seinem aktuellen Mieter die Möglichkeit einräumen, seine Mietwohnung zu kaufen, bevor dies ein Dritter tut. Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist der Mietschutz; so soll das gesetzliche Vorkaufsrecht den Mieter vor einer ungerechtfertigten Mieterhöhung oder gar dem gänzlichem Verlust seiner Wohnung durch einen plötzlichen Eigentümerwechsel bewahren.
In der Praxis äußert sich das Vorkaufsrecht in der Regel so, dass der Eigentümer den Mieter darüber informieren muss, dass er seine Immobilie zum Kauf anbietet. Wenn der Eigentümer bereits einen Kaufvertrag mit einem Dritten ausgehandelt hat, hat der Mieter das Recht, in diesen Vertrag miteinzusteigen. Dabei gibt es für den kaufwilligen Mieter jedoch einige Besonderheiten zu beachten.
Weil das Vorkaufsrecht gesetzlich vorgeschrieben ist, gilt es grundsätzlich für jeden Mieter. Allerdings gibt es dabei, wie so oft, auch einige Ausnahmen. So gilt das Recht nicht, wenn der Vermieter seine Wohnung schon zum Verkauf angeboten hat, bevor der aktuelle Mieter eingezogen ist. Zudem tritt es außer Kraft, wenn der Eigentümer die Wohnräume an ein Familienmitglied oder einen Angehörigen seines eigenen Haushalts verkauft oder verschenkt.
Auch beim Verkauf von Mehrfamilienhäusern kann sich das Vorkaufsrecht oft schwierig gestalten. Im Grunde genommen gibt es zwei Fälle: Entweder verkauft der Eigentümer das gesamte Haus – dann entfällt das Vorkaufsrecht für die Mieter, oder er verkauft die einzelnen Wohnungen des Hauses – bei diesen Anteilen gilt dann für den jeweiligen Mieter das Vorkaufsrecht.
Das gesetzliche Vorkaufsrecht impliziert Pflichten, sowohl für den Noch-Eigentümer als auch für den Noch-Mieter. Für den Vermieter besteht zunächst die sogenannte Mitteilungspflicht. Das bedeutet: Er muss seinen vorkaufsberechtigten Mieter über den Inhalt des Kaufvertrags informieren, den er anderen Kaufinteressierten unterbreitet hat. Kennt der Mieter die Konditionen und möchte er seine Mietwohnung kaufen, muss er die gesetzliche Ausübungsfrist beachten: Innerhalb von zwei Monaten muss er gegenüber dem Eigentümer sein Kaufinteresse an der Immobilie mitteilen.
Ein Immobilieneigentümer muss seinen Mieter spätestens über den anstehenden Verkauf seiner Immobilie informieren, wenn der Abschluss eines Kaufvertrags mit einem anderen Käufer erfolgt ist. Dann hat der Mieter die Möglichkeit, die Immobilie zu den gleichen wie mit dem Dritten vereinbarten Konditionen zu erwerben. In solch einem Fall schließen Mieter und Verkäufer einen neuen Kaufvertrag. Problematisch ist jedoch die Tatsache, dass Investoren in der Regel bereit sind, einen weitaus höheren Preis zu zahlen, als Mieter ihn aufbringen können oder möchten. Es kann allerdings auch vorkommen, dass ein Mieter, der von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen möchte, für seine Mietwohnung einen höheren Kaufpreis zahlen soll, als er mit dem sogenannten Erstkäufer bereits vereinbart wurde. Dass ein Mieter mit einem Vorkaufsrecht prinzipiell keinesfalls schlechter gestellt werden darf als ein Kaufinteressent auf dem freien Markt, stellte jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Berliner Fall klar.
Dem Urteil (VIII ZR 305/20) lag folgender Fall zugrunde: Eine Berliner Mieterin hatte ihr Vorkaufsrecht genutzt. Für eine unsanierte 47-Quadratmeter-Wohnung sollte sie mehr als 163.000 Euro bezahlen. Laut Kaufvertrag hätte ein anderer Käufer die Wohnung aber zu einem günstigeren Preis bekommen, falls sie noch vermietet sein sollte. Der BGH entschied jedoch, dass auch die Mieterin nur diesen Preis – knapp 147.000 Euro – zahlen muss. Damit wollte der Gesetzgeber grundsätzlich sicherstellen, dass den Mieter keine ungünstigeren Bedingungen treffen.
Eine solche Fallkonstellation war in der Rechtsprechung und unter Experten bisher recht umstritten. Manche Juristen haben eine Differenzierung für gerechtfertigt gehalten, weil sich eine vermietete Wohnung zu einem weniger hohen Preis verkaufen lasse als eine unvermietete. Ein Mieter, der selbst zum Eigentümer wird, habe diesen Nachteil eben nicht. Die obersten Zivilrichterinnen und -richter in Karlsruhe fanden eine solche Argumentation allerdings nicht überzeugend und führten in ihrem Urteil aus, dass dem Verkäufer eben „nur“ eine vermietete Wohnung gehöre. Ein Grund dafür, dass dem Verkäufer die Möglichkeit eingeräumt werden müsste, den damit etwa verbundenen Nachteil auf Kosten des Mieters auszugleichen, sei nicht gerechtfertigt. Im Klartext bedeutet das: Wenn Mieter von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen wollen, dürfen sie nicht mehr für die Wohnung zahlen, als ein Kaufinteressent auf dem freien Markt gezahlt hätte. Mit diesem Urteil bringt der BGH also endlich Klarheit in eine juristisch höchst umstrittene Frage, die in der Praxis oft aufkommt, wenn es um das Vorkaufsrecht für Mieter geht.
Unser Tipp:
Sie planen den Verkauf einer Immobilie und sind sich unsicher, welche gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf ein Vorkaufsrecht gelten? Dann konsultieren Sie einen Experten, z. B. einen lokalen Immobilienmakler oder einen Notar, um unnötige Streitfälle oder Schadenersatzansprüche zu vermeiden.
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