Trend Negativzinsen - Baufinanzierung zum Nullzins

Trend Negativzinsen - Baufinanzierung zum Nullzins

Wer aktuell eine Immobilie in Deutschland finanzieren will, zahlt so niedrige Zinsen wie noch nie zuvor. Die Aussichten bleiben für Investoren weiterhin rosig, denn Experten gehen davon aus, dass der Bauzins in naher Zukunft auf seinem niedrigen Niveau verharren wird. Einige Banken planen sogar bereits mit Negativzinsen. Was bedeutet diese Entwicklung für den Immobilienmarkt?

Neue Regeln und Modelle

Lange Zeit galt eine simple Weisheit in der Finanzwelt: Wer sich Geld leiht, zahlt dafür Zinsen. Schließlich verzichtet der Kreditgeber zumindest zeitweise auf sein Kapital und geht das Risiko ein, sein Geld nicht zurückzuerhalten. Der Darlehensnehmer wiederum kann sich seinen Traum verwirklichen, obwohl er das nötige Kapital möglicherweise erst in ein paar Jahren beisammen ist.

Mittlerweile scheint diese Weisheit jedoch überholt zu sein: Bei den ersten Finanzdienstleistern können Kreditnehmer ihre Kredite zum Negativtarif aufnehmen. In Dänemark bieten zwei Banken sogar schon seit mehreren Jahren ihren Kunden ein Hypothekendarlehen zu einem negativen Sollzins. Und das bei zehnjähriger Zinsbindung, jedenfalls auf dem Papier. Nur die Darlehensgebühren sorgen dafür, dass der Effektivzins leicht oberhalb der Nullgrenze liegt. Bei der Jyske Bank zum Beispiel gibt es für ein zehnjähriges Hypothekendarlehen einen Zinssatz von minus 0,5 Prozent. Das Modell: Die monatliche Rate bleibt immer gleich, die Restschuld dagegen reduziert sich jeden Monat um anteilig 0,5 Prozent pro Jahr. Auch in der Schweiz bieten die ersten Geldinstitute ihren Kunden negative Bauzinsen an. Geld zurück gibt es dort bislang aber nur für institutionelle Kunden und kurzfristige Kredite mit hohen Volumina.

Deutsche Institutionen überlegen

„Weit davon entfernt sind wir auch in Deutschland nicht mehr“, sagt Ditmar Rompf vom Immobilienfinanzierungsvermittler Hüttig & Rompf. Kunden, die 40 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital mitbringen, könnten bei einer zehnjährigen Zinsbindung ein Darlehen bereits zum Sollzinssatz von 0,35 Prozent bekommen, erklärt Rompf. Langfristig sei keine nachhaltige Trendwende auf dem Zinsmarkt in Sicht, vereinzelt werden sogar noch leicht fallende Zinsen erwartet.

Auch die Bundesbank kann sich für den deutschen Markt negative Zinsen auf Immobilienkredite vorstellen. „Wirtschaftlich betrachtet kann es für eine Bank durchaus sinnvoll sein, Kredite negativ zu verzinsen, anstatt selbst noch höhere Zinsen bei einer anderen Verwendung zu bezahlen“, sagte neulich Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling. Das Geld zu verleihen und noch einen Bonus obendrauf zu zahlen, ist für die Institute das kleinere Übel.

Teure Strafzinsen

Die Alternative wäre, das Kapital bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu parken. Dafür jedoch fällt zurzeit ein Strafzins von minus 0,4 Prozent an. Für die Banken lohnt sich das Geschäft mit dem Baugeld also auch dann, wenn sie Hauskäufer für die Kreditaufnahme bezahlen – zumindest solange die Kosten über dem Einlagezins der EZB liegen.

Aktuell müssen die Banken im Euroraum pro Monat mehr als 600 Millionen Euro an Negativzinsen an die EZB zahlen. Das zeigen die aktuellen Berechnungen des Bundesverbands deutscher Banken. Auf das Jahr gerechnet entspricht das der unglaublichen Summe von 7,5 Milliarden Euro.

Bald könnte es sogar noch mehr werden, denn die obersten Währungshüter haben vor Kurzem angekündigt, den Strafzins für Einlagen bei der EZB noch weiter zu verschärfen. So wurde im September 2019 der Einlagezins von der Notenbank von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent gesenkt.

Es gibt auch Skeptiker

Aber: Es gibt auch Banken, die Negativzinsen für kein wahrscheinliches Szenario halten. Ein Mitarbeiter einer Großbank deklarierte zum Beispiel: „Wir glauben nicht, dass die Nulllinie rasch unterschritten wird. Das ist eine Grenze, ab der die psychologischen Effekte rasch fatal werden könnten, denn theoretisch hieße das: Sie können Ihre Immobilie beleihen, erhalten mehr Geld raus, als sie zurückzahlen – und diese Überschüsse wiederum tragen sie erneut zu Banken, die auf Einlagen Strafzinsen zahlen müssen“. In der Praxis spielten zudem kurze Bindungen von beispielsweise fünf Jahren eine nur geringe Rolle. „Der typische private Immobilienkreditnehmer nutzt die Niedrigzinsen für sehr lange Zinsbindungen“, sagt der Banker.

Ein weiterer Marktteilnehmer erklärte: „Das Gros (der Banken) geht wohl aktuell nicht davon aus, dass derartige Zinsverhältnisse demnächst auch auf dem deutschen Markt herrschen könnten.“

Laut Bundesbank-Daten verzinsen ausstehende Immobilienkredite mit einer Restlaufzeit von einem bis fünf Jahren immer noch mit einem durchschnittlichen effektiven Jahreszins von 1,8 %. Bei mehr als fünf Jahren Restlaufzeit sind es im Schnitt sogar 2,3 %. Allerdings arbeitet die Zeit gegen die Banken, denn die gut verzinsten Altverträge laufen nach und nach aus – und die Kunden verhandeln auslaufende Zinsbindungen neu.

Was bedeutet der Trend?

Grundsätzlich sind Negativzinsen jedoch durchaus denkbar. „Die eine oder andere Bank könnte sicher auf die Idee kommen, negativ verzinste Baudarlehen anzubieten – und sei es nur aus Marketinggründen“, präzisiert Experte Rompf vom Immobilienfinanzierungsvermittler Hüttig & Rompf.

Die konkrete Umsetzung steht allerdings noch aus. Zudem haben etliche Banken eine Zinsschwelle eingeführt, die nicht unterschritten werden soll. Momentan kratzen die Bauzinsen in Deutschland noch an der Nulllinie. Für Darlehen mit zehn Jahren Zinsbindung zahlen Hauskäufer derzeit durchschnittlich nur noch 0,74 Prozent Zinsen, zeigt das aktuelle Bauzins-Trendbarometer des Finanzdienstleisters Interhyp. Einige Institute verlangen teilweise sogar nur 0,5 Prozent Zinsen.

Dennoch dürfte es sich kaum lohnen, beim Baugeld auf weiter fallende Zinsen zu setzen, meint Experte Rompf und fügt hinzu: „Die Preise für Häuser und Wohnungen steigen derzeit noch weiter, dies wird verbesserte Konditionen überkompensieren.“

Entscheidend ist vielmehr das Gesamtpaket: Es setzt sich insbesondere aus Zinsbindungsfrist, Höhe der Tilgung, Kredithöhe im Verhältnis zum Kaufpreis, dem eingesetzten Eigenkapital und nicht zuletzt der individuellen Bonität des Kunden zusammen. „Wir raten, die Zinsen auf lange Frist festzuschreiben“, sagt Rompf. Er hält schon eine zehnjährige Frist für viel zu kurz. 15 bis 20 Jahre oder sogar noch mehr wären seiner Meinung nach sinnvoller.

In jedem Fall müsse die Restschuld im Auge behalten werden, denn je höher der Darlehensbetrag am Ende der Zinsbindungsfrist noch ist, umso größer ist das Risiko. Schließlich könne heute niemand mit Sicherheit beurteilen, auf welchem Niveau die Zinsen in 15 oder 20 Jahren liegen werden, wenn das Darlehen neu verhandelt werden muss.

Vorstandsmitglied Mirjam Mohr von der Interhyp AG, Deutschlands größtem Vermittler privater Baufinanzierungen, rät daher, möglichst viel Eigenkapital einzusetzen und jährlich mindestens drei Prozent des Darlehens zu tilgen. Bei typischen Kaufpreisen jenseits von 500.000 Euro keine Kleinigkeit: Eigenkapital anzusparen wird immer schwerer, auch wegen der Zinsen. An Kunden mit großen Sparguthaben reicht die eine oder andere Bank den Minuszins jetzt schon weiter.

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