Steigende Zinsen: Ist jetzt ein neuer Bausparvertrag sinnvoll?

Steigende Zinsen: Ist jetzt ein neuer Bausparvertrag sinnvoll?

Nach langen Jahren der Niedrigzinsphase klettern die Zinsen auf dem Finanzmarkt seit letztem Jahr wieder nach oben. Das sind gute Nachrichten für Sparer, aber nicht für all diejenigen, die eine eigene Immobilie mit einem Baukredit finanzieren wollen. Denn schließlich klettern durch die aktuellen Entwicklungen auch die Bauzinsen immer mehr in die Höhe; der durchschnittliche Bauzins für ein Bankdarlehen mit zehn Jahren Laufzeit hat sich seit Beginn des Jahres 2022 von weniger als einem Prozent auf zwischenzeitlich fast vier Prozent Zinsen pro Jahr in die Höhe geschraubt. Weil dieser Trend auf dem Zinsmarkt anhalten könnte und die Darlehenszinsen der Bausparkassen mit circa 1,5 bis 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr unverändert geblieben sind, schließen immer mehr sicherheitsdenkende Menschen neue Bausparverträge ab. Allerdings kann niemand voraussagen, wie sich die Zinsen langfristig und in der Zukunft entwickeln werden. Für wen sich der Abschluss eines Bausparvertrags besonders lohnt und ob das Finanzmodell tatsächlich vor einem wirtschaftlichen Comeback stehen, beleuchten wir für Sie ausführlich in den folgenden Zeilen.

Spar- und Finanzierungsphase

Offiziellen Angaben zufolge wurden im Jahre 2021 in Deutschland knapp 24 Millionen Bausparverträge gezählt, 1,4 Millionen dieser Verträge wurden im vergangenen Jahr abgeschlossen - Tendenz steigend. Lohnt sich das Sparmodell Bausparvertrag, das eigentlich und während der langen Niedrigzinsphase so ziemlich „aus der Mode“ gekommen ist, nun also tatsächlich wieder? Ist in Zeiten der steigenden Bauzinsen ein Bausparvertrag besonders auch für zukünftige Bauherren eine attraktive Option? Das lässt sich nicht so pauschal beantworten, sondern muss im Einzelfall betrachtet werden. Wichtig ist auf jeden Fall, zunächst das Prinzip und das Phasenmodell eines Bausparvertrags zu verstehen: In der sogenannten Ansparphase wird ein monatlicher, vorher vereinbarter Festbetrag eingezahlt. Auf das gesamte eingezahlte Guthaben gibt es dann Zinsen. Wenn ein bestimmter Betrag erreicht ist, wird der Vertrag zuteilungsreif. Das bedeutet: Ab diesem Zeitpunkt kann sich eine Bausparerin oder ein Bausparer sein Geld auszahlen lassen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt auch die sogenannte Finanzierungsphase. Das heißt: Sparende haben jetzt Anspruch auf ein günstiges Darlehen, für welches die Konditionen bereits vor der Ansparphase mit der Bausparkasse vereinbart wurden. Mit dem Darlehen kann bei Bedarf nun ein Immobilienprojekt finanziert werden.

Ab wann lohnt sich ein Bausparvertrag?

Ob sich ein Bausparvertrag finanziell lohnt, hängt vor allem von dem Darlehenszins des Bausparvertrags im Vergleich zum allgemein üblichen Darlehenszins ab. Der Haken dabei ist: Der übliche Darlehenszins ist beim Abschluss eines Bausparvertrags absolut nicht vorhersehbar. Immerhin ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Chancen auf eine lohnende Rendite von Anfang an gutstehen, wenn sich zu den monatlichen, kleineren Bausparsummen eine Arbeitnehmersparzulage oder eine Wohnungsbauprämie addiert, auf die viele Menschen in Deutschland Anspruch haben. Ein Anspruch auf eine staatliche Wohnungsprämie haben zum Beispiel Singles, deren Einkommensgrenze sich auf unter 35.000 Euro und Ehepaare, deren Einkommensgrenze sich unter 70.000 Euro im Jahr beläuft. Aber auch in Zeiten der Energiekrise kann sich ein Bausparvertrag lohnen, denn durch die explodierenden Energiepreise rechnen sich energetische Modernisierungsmaßnahmen, die mittels eines Bausparvertrags finanziert werden, viel schneller als in „normalen“ Zeiten. Derzeit bieten die ersten Bausparkassen sogar schon extra Klimaschutz-Tarife an, unter anderem Tarifvarianten speziell für energetische Modernisierungen mit einem Zinsvorteil von etwa 0,15 Prozentpunkten. Für die Berechnung der mutmaßlichen Rendite muss aber auch immer bedacht werden, dass Bausparkassen in der Regel Abschlussgebühren zwischen 1 und 1,6 Prozent der gesamten Bausparsumme verlangen. Bei einer Bausparsumme von insgesamt 100.000 Euro wären das immerhin schon 1000 bis 1600 Euro, hinzu kommen die jährlichen Kontoführungsgebühren. Diese nicht unerheblichen Kosten sind oft ein ausschlaggebendes Argument, das gegen den Abschluss eines Bausparvertrags spricht.

Für wen ist also ein Bausparvertrag sinnvoll?

Auf den ersten Blick scheinen die derzeit niedrigen Zinsen eines Bausparvertrags die Finanzierung eines Immobilienprojektes mit Bausparen attraktiv zu machen. Auch grundsätzlich und in der Theorie ist es nie verkehrt, als Immobilienbesitzer einen Bausparvertrag in der Hinterhand zu haben. Man weiß schließlich nie, was die Zukunft bringt, und kann durch einen Bausparvertrag bei Bedarf relativ schnell finanzielle Liquidität zu planbaren Kosten erlangen. Allerdings sollten vor dem Abschluss eines neuen Vertrages immer auch andere Finanzierungsmöglichkeiten sorgfältig geprüft und genau durchgerechnet werden. Denn: Eine hundert Prozent sichere Empfehlung gibt es nicht, weil eben niemand weiß, wie sich die Zinsen in der Zukunft entwickeln werden.

Beispielrechnung Bausparvertrag

Das nun folgende Beispiel erläutert anhand konkreter Zahlen, wie sich ein Bausparvertrag „rechnet“. In unserem Beispielfall soll über eine Bausparsumme von insgesamt 10.000 Euro verfügt werden. Diese Summe setzt sich aus einem Darlehen und Eigenkapital zusammen. Die Abschlusskosten des Bausparvertrags betragen in unserem Beispiel 100 Euro, der Guthabenzins liegt bei 0,25 Prozent.

Die Sparphase des Bausparvertrags

Ist der Bausparvertrag unterschrieben, beginnt die offizielle Sparphase. In unserem zugrunde liegenden Beispiel werden 50 Euro im Monat an die Bausparkasse gezahlt. Nach 8,5 Jahren ist der Vertrag zuteilungsreif. Das bedeutet, dass nach diesem Zeitraum genügend Geld eingezahlt wurde, um das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. In Zahlen gesprochen: Das eingezahlte Guthaben beträgt zu diesem Zeitpunkt 5155 Euro, davon sind 55 Euro Zinsen. Je nach Tarifvariante ist aber auch eine frühere Zuteilung und ein geringeres Mindestguthaben möglich. Generell gilt aber: Bevor die sogenannte Zuteilungsreife nicht erreicht wurde, kann die Bausparkasse den genauen Zeitpunkt für die Auszahlung der Bausparsumme nicht garantieren. Die Angaben zur voraussichtlichen Auszahlung sind bis dahin vielmehr lediglich Schätzungen. Auch wenn wegen steigender Zinsen immer mehr Bausparerinnen und Bausparer ein Bauspardarlehen beantragen, muss mit einer deutlich späteren Zuteilung gerechnet werden, als sie ursprünglich und unverbindlich in Aussicht gestellt wurde. Dieser Umstand hängt mit der Berechnung der Bewertungszahl zusammen, über welche die Bausparkassen ihr Geschäft steuern.

Fazit der Sparphase

Wird an dieser Stelle Bilanz gezogen, sprechen die vorliegenden Zahlen für ein klares Minusgeschäft. Denn es wurden lediglich 55 Euro Zinsen erwirtschaftet, während schon bei Abschluss des Vertrags 100 Euro Abschlusskosten fällig wurden. Hätte unser Beispielsparer allerdings Anspruch auf eine Wohnungsbauprämie oder eine Arbeitnehmersparzulage, die sich zu der monatlichen Sparsumme addiert, würde zu diesem Zeitpunkt die Rentabilität des Bausparvertrags viel höher ausfallen. Das ist in unserem Rechenbeispiel aber nicht der Fall. Ein anderer wichtiger Punkt bezüglich der generellen Rentabilität ist aber auch der Umstand, dass bei einem Bausparvertrag in der Regel der Guthabenzins festgeschrieben ist. Das bedeutet: Fallen die Zinsen, können sich Sparer über den festen Zinssatz freuen. So erging es jüngst zumindest einigen Personen mit Altverträgen, die im Vergleich zu heutigen Zinsen hohe Renditen erwirtschaften. Aber: Aufgrund der in letzter Zeit deutlich gestiegenen Zinsen ist nicht damit zu rechnen, dass sich die heutigen Bauspartarife mit Guthaben- und Bonuszinsen von meist nicht mehr als 0,5 Prozent als spätere Renditeknaller herausstellen.

Als Faustregel lässt sich zumindest festhalten, dass die Sparphase eines Bausparvertrags prinzipiell nicht rentabel ist- es sei denn, der gewählte Tarif hat von Anfang an einen fixen, hohen Guthabenzins und die Zinsen für andere Geldanlagen fallen während der Sparphase tief in den Keller.

Die Darlehensphase des Bausparvertrags

Auf die Sparphase des Bausparvertrags folgt nun die sogenannte Bauphase, in der Sparende über ihr Bauspardarlehen verfügen können. In unserem vorliegenden Beispiel vergibt die Bausparkasse das Darlehen zu einem Zinssatz von 2,5 Prozent jährlich – wird der Verlust aus der Sparphase eingerechnet, steigt der Zinssatz sogar auf 3 Prozent. In Zahlen bedeutet das, dass zu diesem Zeitpunkt 4845 Euro finanziert werden können – nämlich die Differenz zwischen Bausparsumme und Guthaben. Dieses Darlehen muss innerhalb von gut neun Jahren dann wieder getilgt werden.

Bezüglich der Tilgung ist ferner zu beachten, dass Bauspardarlehen meist viel schneller als andere Darlehen zurückzuzahlen sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei Bauspardarlehen die monatliche Belastung demnach in den meisten Fällen auch höher ist. Ein Bauspardarlehen kann aber auch jederzeit ganz oder teilweise zurückgezahlt werden. Dann kommen keine Kosten auf die Sparenden zu.

Fazit nach der Darlehensphase

Ob ein tatsächlich günstiges Darlehen eingetütet wurde, hängt letztlich von der Zinsentwicklung der marktüblichen Darlehen ab. Dabei gilt: Je höher diese sind oder noch werden, desto lukrativer kann ein Darlehen aus einem Bausparvertrag sein.

Können Bausparverträge mit günstigen Darlehenszinsen gekündigt werden?

Bausparkassen werben derzeit und aufgrund der aktuell steigenden Zinsen mit dem Argument, sich jetzt noch schnell niedrige Darlehenszinsen sichern können – von denen irgendwann einmal profitiert werden kann. Vor übereilten Abschlüssen ist jedoch Vorsicht geboten, denn einige Bausparkassen haben in den vergangenen 15 Jahren Altverträge gekündigt, bei denen sie sehr hohe Guthabenzinsen zahlen mussten. Wenn die Zinsen in Zukunft auch weiterhin steigen, ist also nicht auszuschließen, dass die Bausparkassen nach Gründen suchen werden, Bausparverträge mit niedrigen Darlehenszinsen zu kündigen. Detaillierte Informationen zum Kündigungsrecht finden sich übrigens in den vertraglichen Bausparbedingungen.

Was tun mit einem alten Bausparvertrag?

Aus heutiger Sicht bieten einige alte Bausparverträge eine hohe Guthabenverzinsung. Einige Verbraucher haben sogar die Option, einen Bonuszins zu erhalten. Auf solch einem attraktiven Altvertrag können Verbraucher aber zum Beispiel auch Rücklagen für unvorhersehbare Ausgaben parken, indem sie den Vertrag einfach weiterlaufen lassen. Allerdings kann die Bausparkasse einen solchen Altvertrag auch kündigen, wenn das Guthaben die Bausparsumme erreicht hat.

Seien Sie zudem skeptisch, wenn Ihre Bausparkasse Ihnen einen Tarifwechsel mit dem Argument nahelegt, dass Sie sich dadurch einen geringeren Darlehenszins sichern würden. Denn: Der Zins ist lediglich auf den ersten Blick niedriger. Langfristig wird bei einem Tarifwechsel nicht nur der Anspruch auf den Bonuszins, sondern auch einen Gutteil der bisherigen Sparzinsen verloren, weil die Bausparkasse die bereits geleisteten Beiträge rückwirkend einfach niedriger verzinst.

Fazit: Für wen lohnt sich ein Bausparvertrag?

Bausparen verbindet die Verlässlichkeit von Zinsen und den Wunsch der Ansparung von Eigenkapital. Allerdings und wie schon mehrmals erwähnt kann heute niemand voraussagen, wie sich das Zinsniveau morgen entwickeln wird. Gegen den Abschluss eines Bausparvertrags sprechen auch die Umstände, dass neue Bausparverträge als Geldanlage zunächst unrentabel sind und eine Bausparkasse unter bestimmten Umständen lukrative Verträge kündigen kann. Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte lässt sich deswegen nur generell sagen: Bei Anspruch auf eine Wohnungsbauprämie oder Arbeitnehmersparzulagen kann ein Bausparvertrag als Geldanlage durchaus interessant sein. Der Abschluss eines Bausparvertrages kann sich aber auch für Personen lohnen, die regelmäßig Geld zur Seite legen möchte, um in naher Zukunft Modernisierungen oder Sanierungen mit einem überschaubaren Kapitalbedarf von bis zu 50.000 Euro finanzieren möchten. Wer bereits einen Bausparvertrag hat, sollte die Guthabenverzinsung sorgfältig prüfen: Denn häufig sind Altverträge weitaus rentabler als neue Bausparverträge. Wer sich bezüglich des Abschlusses eines Bausparvertrages unsicher ist, kann und sollte sich bei Verbraucherzentralen Rat und Hilfe holen.

Bausparvertrag: Das Wichtigste in Kürze

  • Wegen der relativ hohen Abschlusskosten ist die Rendite eines Bausparvertrages während der Sparphase, also vor seiner Zuteilung, meistens negativ und damit unrentabel.
  • Allerdings kann schon zu diesem Zeitpunkt die Rentabilität des Bausparvertrags viel höher ausfallen, wenn sich zu der monatlichen Sparsumme eine staatliche Wohnungsbauprämie oder eine Arbeitnehmersparzulage addiert.
  • Ob sich ein Bausparvertrag tatsächlich lohnt, ist schwer einzuschätzen. Denn es ist nicht vorhersehbar, ob und zu welchem Prozentsatz die Darlehenszinsen in Zukunft steigen oder sinken.
  • Sobald ein Bausparvertrag zuteilungsreif ist, darf ein Bauspardarlehen beantragt werden, dessen Höhe sich aus der Differenz zwischen der Bausparsumme und dem Bausparguthaben errechnet. Die genauen Regelungen stehen in den vertraglich festgelegten Bausparbedingungen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die stuttgarter immobilienwelt ist eine Fachzeitung rund um das Thema Immobilien in Stuttgart und in der Region mit dem Ziel, den Stuttgarter Immobilienmarkt transparenter zu machen und lokal zu informieren.

Kontaktieren Sie uns: kontakt@stuttgarter-immobilienwelt.de

© Copyright 2021 - stuttgarter immobilienwelt