Die Zinswende und ihre Auswirkungen auf die Bauzinsen

Die Zinswende und ihre Auswirkungen auf die Bauzinsen

Das Ende der Niedrigzinsphase? In den vergangenen Jahren stiegen die Immobilienpreise stark an und die Zinsen befanden sich lange Zeit auf absoluten Tiefstwerden. Doch nun steigen auch die Bauzinsen - und das in einer bisher noch nie da gewesenen Geschwindigkeit. Innerhalb von nur wenigen Monaten haben sich die Zinsen für Immobilienkredite nahezu verdreifacht und haben Anfang Juli 2022 Höchstwerte erreicht. Seitdem schnaufen die Zinsen ein wenig durch und sind seit August wieder in ein leichtes Tal gefallen. Experten prognostizieren jedoch weitere Anstiege bis Ende des Jahres. Bauwillige sowie zukünftige Wohnungs- und Hauskäufer sollten sich deshalb besonders in Zeiten wie diesen besonders intensiv mit ihren Finanzierungsberatern austauschen, um Ihr Budget zu kalkulieren und sich gute Konditionen zu sichern.

Was sind die Ursachen für die aktuellen Marktentwicklungen?

Noch in den vergangenen zwei Jahren konnten Bauherren einen Zinssatz für eine Baufinanzierung ergattern, bei dem eine 0 vor dem Komma stand. Doch diese Zeiten sind nun vorbei. Die Zinsen für einen Baukredit haben sich nach Angaben des Vergleichsportals Check24 von Januar bis Juni fast vervierfacht, die Durchschnittszinsen für zehnjährige Baufinanzierungen stiegen von 0,8 Prozent Anfang des Jahres auf 3,0 Prozent im Juni, teilte das Portal mit. Ein Anstieg auf vier Prozent bis zum Ende des Jahres sei möglich.

Als Grund für den fulminanten Anstieg der Bauzinsen wird recht vage die hohe Inflation und die damit verbundene Vermutung angegeben, dass die Europäische Zentralbank ihre Niedrigzinspolitik ändern könnte. Häufig entsteht dadurch der Eindruck, dass eine Anhebung der Leitzinsen eine direkte Steigerung der Zinsen für Immobilienkredite zur Folge hätte. Doch bei näherer Betrachtung ist diese Schlussfolgerung nicht richtig. Vielmehr ist das Verhältnis von Bauzins und Leitzins deutlich komplexer. Es ist zudem definitiv nicht ausgeschlossen, dass die Bauzinsen trotz mittelfristig steigender Leitzinsen nicht weiter mitsteigen. Welche Entwicklungen potenzielle und zukünftige Immobilieninvestoren besonders im Auge behalten sollten, erfahren Sie in den nun folgenden Zeilen.

Wo liegen die Bauzinsen derzeit?

Wie schon erwähnt: Zwischen Januar und Juli 2022 sind die aktuellen Bauzinsen deutlich gestiegen. Hier ein paar konkrete Beispiele zur besseren Orientierung: Für einen 100.000 Euro-Kredit sind momentan rund 200 Euro mehr zu zahlen als noch zu Jahresanfang. Bei einer Baufinanzierung über 400.000 Euro verursacht der Anstieg der durchschnittlichen Bauzinsen von 0,8 auf 3,0 Prozent zusätzliche Kosten von circa 78.800 Euro bis zum Ende der zehnjährigen Laufzeit für Kreditnehmer, erklärt zum Beispiel das Portal Check24. Dementsprechend steigt die monatliche Rate für Immobilienkäufer in diesem Beispielfall von 933 Euro auf satte 1667 Euro.

Wer derzeit eine Immobilie finanzieren möchte, muss bei gleicher Kreditsumme und gleichem Tilgungssatz jeden Monat zwar immer noch weniger Geld ausgeben als in den frühen 2010er oder gar 2000er Jahren. Zwischen 2012 und Anfang 2022 war eine Immobilienfinanzierung dagegen deutlich günstiger.

Generell gilt aber weiterhin: Liegen Kaufpreis und Kreditsumme eng beieinander, verlangen die Banken mehr Zinsen. Anders ausgedrückt bedeutet das: Je mehr Eigenkapital ein Käufer in eine Finanzierung mitbringt, umso günstiger sind die Zinsen.

Wie werden sich die Hypothekenzinsen weiterentwickeln?

Lange Zeit galt: Solange sich die Leitzinsen auf niedrigem Niveau befinden, können Verbraucher davon ausgehen, dass auch die Hypothekenzinsen relativ niedrig bleiben. Doch im Juni 2022 haben sich die Hypothekenzinsen bereits deutlich von ihren historischen Tiefpunkten entfernt, die Zahlen verdeutlichen es: Von Mitte 2019 bis Ende 2021 waren fast überall Baukredite mit zehnjähriger Zinsbindung für unter 1 Prozent zu bekommen. Mitte Juni 2022 kletterten sie dagegen schon auf etwa 3,5 Prozent. Bis Anfang Juli diesen Jahres gab es bei den Hypothekenzinsen dann noch einen weiteren Schub – Auslöser war vor allem der große Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten, den die amerikanische Zentralbank Fed am 15. Juni verkündete. Zusätzlich beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang Juni, den Leitzins im Juli 2022 um 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen. Tatsächlich erfolgte dann eine unerwartete Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte. Da die EZB weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt hat, ist davon auszugehen, dass die Hypothekenzinsen noch weiter steigen könnten.

Was bedeutet genau eine Zinswende?

Wegen der rasant steigenden Zinsen wird momentan immer wieder von einer Zinswende gesprochen. Doch was verbirgt sich genau hinter diesem Begriff? Von einer Zinswende ist typischerweise dann die Rede, wenn die zuständige Zentralnotenbank einen Kurswechsel bei der aktuellen Zinspolitik vornimmt beziehungsweise ankündigt, dass ein solcher Wechsel bevorsteht. Eine bevorstehende Zinswende wird meistens bereits im Vorfeld angekündigt, kommt also in den seltensten Fällen überraschend. Zudem sind für viele Akteure des Finanzmarktes die Zeichen einer anstehenden Zinswende im Vorfeld absehbar. Dementsprechend werden dann auch Prozesse angepasst, Vermögenswerte umgeschichtet oder Investitionen getätigt, bevor eine Zinswende in Kraft tritt.

Welche Auswirkungen hat eine Zinswende?

Ist eine Zinswende tatsächlich eingetreten, gibt es für die Zentralbanken die Möglichkeit, das aktuelle Zinsniveau beizubehalten, den Leitzins anzuheben oder diesen zu senken. Diese unterschiedlichen Optionen haben dann auch unterschiedliche, nun folgende Effekte auf die aktuelle Geldpolitik:

Effekt Nummer 1: Senkung des Leitzinses

Die erste Option, eine Senkung des Leitzinses, führt dazu, dass Bankkredite günstiger werden. Das passiert wiederum dadurch, dass sich die Banken bei der Zentralbank Geld leihen, bei einer Senkung des Leitzinses weniger Zinsen für diesen Kredit zahlen müssen und diese Vergünstigungen dann an die Endkunden weitergeben können. Dadurch werden Kredite für Unternehmen, aber auch für Privatpersonen attraktiver. Eine solche Option wählen Zentralbanken insbesondere dann, wenn die wirtschaftliche Leistung einer Region sinkt oder die Gefahr einer Deflation, also der Abnahme des Preisniveaus, droht. Sie sorgt so für eine Preisstabilität und erhöht die Geldmenge, die im Umlauf ist. Ein dauerhaft niedriger Leitzins kann in konjunkturell starken Phasen jedoch eine Inflation begünstigen.

Effekt Nummer 2: Anhebung des Leitzinses

Entscheidet sich die Zentralbank hingegen dafür, den Zins wieder anzuheben, verringert sie dadurch die im Umlauf befindliche Geldmenge. Die Aufnahme von Krediten wird unattraktiver und Sparer erhalten wieder mehr Erträge aus Bankguthaben und Versicherungen. Gleichzeitig wird eine mögliche Inflation verhindert. Eine Zinserhöhung birgt jedoch auch das Risiko, das Wirtschaftswachstum auszubremsen, da Kredite für Unternehmen teurer werden und diese in der Folge neue Investitionen zurückstellen, also weniger frisches Geld in den Geldkreislauf gelangt.

Effekt Nummer 3: Zinswende als wichtiger Faktor beim ‚Schuldendienst‘

Eine Zinswende hat aber nicht nur direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft der betroffenen Staaten, sondern zudem auch unmittelbare Folgen für Länder mit hohen Staatsschulden. Je nach dem insgesamten Umfang der Schulden kann eine Änderung des Leitzinses um einen halben Prozentpunkt bereits milliardenschwere Auswirkungen auf die Verschuldung und die jeweilige Zinslast haben – und das nicht nur im positiven, sondern auch im negativen Sinne. Diese Tatsache unterstreicht übrigens auch die Wichtigkeit einer Zentralbank, die stets unabhängig von einzelnen politischen Agenden arbeitet und in ihrer Entscheidungsfindung autark ist.

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Machtzentrum: In der Europäischen Zentralbank (EZB) werden die Weichen für die Zukunft gelegt - doch wohin geht der Weg? © Posztós János - stock.adobe.com

Was sollte nun besonders beachtet werden?

Für zukünftige Bauherren und Immobilienbesitzer bedeutet das, dass sie die Entwicklung der Bauzinsen sorgfältig verfolgen sollten, um sie vor allem langfristig richtig einordnen zu können. Als Basiswissen beziehungsweise zur Orientierung dient dabei die Tatsache, dass sich mit dem Zinsanstieg der letzten Monate, wie schon erwähnt, die aktuellen Bauzinsen auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2012 befinden. Anders gesagt: Momentan treffen Investoren auf einen privaten Immobilienmarkt, bei dem die Kaufpreise seit mehr als zehn Jahren gestiegen sind und die Bauzinsen wieder so hoch sind wie vor etwa zehn Jahren. Deshalb sollte derzeit besonders sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Anschaffungskosten für eine Immobilie zum persönlichen Budget passen und Käufer das richtige Finanzierungsmodell für ihre individuelle Situation finden. Wichtig ist, dass Käufer sich nicht übernehmen, sondern so kalkulieren, dass das Kaufobjekt langfristig finanziert werden kann.

Der Blick auf die langfristige Entwicklung der Hypothekenzinsen verdeutlicht dabei, dass die niedrigen Zinsen keineswegs auch für die Zukunft garantiert sind. Vor etwa zehn Jahren lagen die durchschnittlichen Bauzinsen auf einem ähnlichen Niveau wie derzeit. In den Folgejahren haben sie sich gedrittelt, bis sie seit Anfang 2022 wieder auf das alte Zinsniveau stiegen. In den 70er- und frühen 80er-Jahren lagen die Hypothekenzinsen manchmal sogar zwischen 10 und 11 Prozent pro Jahr. Kurz: Zukünftige Immobilienkäufer sollten sich also darauf einstellen, dass die Hypothekenzinsen bis zur Anschlussfinanzierung in 10 oder 15 Jahren weiter steigen könnten.

Für welche Hypothekenzinsen sollte man sich jetzt entscheiden?

Welches Angebot für eine Immobilienfinanzierung eine Bank einem Kunden unterbreitet, hängt ganz davon ab, wie sie das Ausfall- und Verwertungsrisiko einschätzt. Dabei geht es um die Frage, ob die Bank die ausstehende Kreditsumme zurückbekommen würde, wenn der Kunde seine Raten finanziell nicht mehr aufbringen kann, weil er zum Beispiel krank oder arbeitslos geworden ist oder sich seine Familiensituation mit finanziellen Folgen verändert hat.

Wichtigen Einfluss auf das Zinsangebot hat auch der sogenannte Beleihungsauslauf. Dieser gibt das Verhältnis von Kreditsumme zum Wert der Immobilie an. Den günstigsten Zinssatz vergibt eine Bank, wenn die Bauherren höchstens 60 Prozent des Immobilienwerts für ihren Baukredit benötigen. Dabei ist es aber auch wichtig, dass der Wert, den die Bank für die Immobilie ansetzt, nicht unbedingt dem Kaufpreis entsprechen muss. Das bedeutet: Kauft ein Kunde zum Beispiel eine Stadtwohnung zu teuer ein oder baut sich eine Traumvilla in einer abgeschiedenen, ländlichen Gegend, kann der angesetzte Wert deutlich unter dem Kaufpreis oder den Baukosten liegen. Als Faustregel gilt jedoch in allen Fallkonstellationen: Je höher der Beleihungsauslauf ist, desto höher fallen auch die Hypothekenzinsen aus, die die Bank fordert. Wer seine Traumimmobilie gefunden hat, sollte sich deshalb an einen Kreditvermittler wenden. Denn dort kann ein Finanzierungsberater recht einfach und schnell den Zinssatz nennen, der für den vorliegenden Einzelfall erreicht beziehungsweise angeboten werden kann.

Mit welchen weiteren Entwicklungen ist nun zu rechnen?

Laut Einschätzung des Portals Check24 wird sich bis Ende des Jahres die durchschnittliche Baufinanzierung „in jedem Fall“ um einige tausend Euro innerhalb der Laufzeit verteuern. Check24 empfiehlt deshalb Menschen mit einer laufenden Finanzierung, die Sondertilgung zu nutzen, um die Restschuld am Laufzeitende möglichst gering zu halten. Außerdem könnten diese Angebote für sogenannte Forward Darlehen prüfen, um sich die heutigen Zinsen für die Zukunft zu sichern. Das kostet bei den meisten Banken einen Forward-Aufschlag, im Schnitt 0,01 Prozent für jeden Monat bis zur Auszahlung des Darlehens.

Aber es gibt auch einen Hoffnungsschimmer: Nach dem fulminanten Anstieg der Bauzinsen im ersten Halbjahr des Jahres 2022 können die Deutschen auf eine leichte Entspannung hoffen. Das berichtet zumindest Interhyp, Deutschlands größter Vermittler für private Baufinanzierungen. „Die Erwartungen an die nächsten Leitzinserhöhungen sind jetzt bereits größtenteils eingepreist und Konjunktursorgen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Sie wirken bremsend auf den Zinsanstieg“, so Mirjam Mohr, Vorständin für das Privatkundengeschäft bei der Interhyp AG. Eine grundlegende Trendumkehr halten die befragten Experten in diesem Jahr dagegen für unwahrscheinlich. Sie gehen in den nächsten Wochen vielmehr von gleichbleibenden Zinsen aus. Aber: Auf Halbjahres- und Jahressicht prognostiziert die Mehrheit von ihnen steigende Zinsen. Interhyp rechnet bis Jahresende immerhin mit einem moderaten Anstieg auf 3,5 bis 4 Prozent für zehnjährige Darlehen.

Bauzinsen und Zinswende: Das Wichtigste in Kürze

  • Wie hoch die aktuellen Bauzinsen tatsächlich sind, hängt von den Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) und von den Anleihemärkten ab.
  • Bei einer Sitzung im Juni 2022 hat die Europäische Zentralbank (EZB) den wichtigsten Zinssatz unverändert bei 0 Prozent belassen. Aber: Der EZB-Rat hat den Leitzins im Juli 2022 um 0,5 Prozent zu erhöhen, erwartet wurde ein Anstieg um 0,25 Prozent. Ein weiterer Zinsschritt kann im September folgen.
  • Aufgrund der jüngsten Entwicklung an den Anleihemärkten stiegen die Hypothekenzinsen schon im ersten Halbjahr 2022 um fast zwei Prozent sprunghaft an. Von Anfang bis Mitte Juni stiegen die aktuellen Bauzinsen dann allerdings noch weiter.
  • Die aktuellen Bauzinsen für eine Standardfinanzierung lagen Mitte Juni 2022 bei etwa 3,7 Prozent effektiv. Die Kreditsumme betrug damit 80 Prozent des Immobilienwerts, die Zinsbindung lag bei zehn Jahren.

Das ist jetzt die beste Vorgehensweise

Vor dem Kauf oder Bau einer Immobilie sollte sorgfältig geprüft werden, wo sich die Bauzinsen aktuell befinden und mit welcher aktuellen Zinsprognose zu rechnen ist. Aber Vorsicht: Günstige Hypothekenzinsen allein sind keine Garantie für eine insgesamt günstige Baufinanzierung. Denn viel wichtiger als das letzte Zehntelprozent bei den Zinsen ist das passende Finanzierungskonzept.

Wenn Sie den Kauf einer Immobilie planen und eine Beratung für Ihr persönliches Finanzierungskonzept benötigen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an kontakt@stuttgarter-immobilienwelt.de.

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