Was wurde nicht alles diskutiert: Seit 20 Jahren ist klar, dass das Staatstheater Stuttgart dringend sanierungsbedürftig ist. Von wiederholten Debatten abgesehen ist seither wenig passiert, doch nun kommt Bewegung in die Sache:
Von der Grün-Schwarzen Landesregierung wurde im März dieses Jahres die dringend anstehende Sanierung des Staatstheaters Stuttgart zum Regierungsprogramm gemacht. Eine konkrete Planung liegt mittlerweile vor und das Vorhaben nimmt Gestalt an. Die Kosten belaufen sich nach aktuellen Schätzungen auf ca. 500 Mio. Euro und werden von Stadt und Land zu gleichen Teilen getragen.
Das Staatstheater Stuttgart, ein Wahrzeichen der Stadt, ist Sitz der Oper Stuttgart, des Stuttgarter Balletts sowie des Schauspiels Stuttgart und erfreut sich großen internationalen Renommees. Allein dem Staatsopernchor Stuttgart wurde zehnmal der Titel „Opernchor des Jahres“ verliehen, das Staatsorchester Stuttgart wurde ebenfalls bereits zum „Orchester des Jahres“ gewählt.
Nicht nur qualitativ ist das Staatstheater Stuttgart ein echter Hingucker, auch architektonisch hat es einiges zu bieten. Das malerisch am früher noch ovalen Eckensee mitten im Herzen von Stuttgart gelegene Areal besticht durch gute Erreichbarkeit, schöne Lage sowie einen harmonischen Zusammenklang von Innen- und Außenbereich gleichermaßen. Insbesondere die Oper Stuttgart, einer der beiden Teile des Littmann-Baus, mit ihrer gerundeten Front und dem gleichermaßen grazil und stabil anmutenden Ensemble aus klassizistischen Doppelsäulen sticht optisch hervor.
Das Gebäude trägt den Namen seines Architekten Max Littmann (1862 – 1932) und wurde zu Recht bei seiner ersten Begehung im Jahre 1912 von Max Reinhardt als „das schönste Theater der Welt“ bezeichnet. Seither wurde das Gebäude sechsmal zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt. In seinem Inneren fällt der harmonische Dialog aus kräftigem Rot und Gold sowie aus strahlendem Blau und Gold auf, der prunkvoll, ja royal anmutet, ohne pompös zu wirken. Der Littmann-Bau setzt der Monarchie, die nur 6 Jahre nach seiner Errichtung endete, ein würdiges Denkmal.
Allein die Oper bietet Platz für 1.404 Personen und beherbergt pro Saison 230.000 Gäste. Das Schauspielhaus, der zweite Teil des Doppeltheaters, der bis 2002 den Namen ‚Kleines Haus‘ trug, fügt 800 weitere Plätze hinzu. Insgesamt haben im Gebäude etwa 2.500 Gäste Platz, 500.000 Besucher werden in jeder Saison bespielt. Das Schauspielhaus wurde im 2. Weltkrieg völlig zerstört und 1959 in modernem Stil neu errichtet. Das Opernhaus, früher ‚Großes Haus‘ genannt, und der Verwaltungsbau blieben zum Glück weitestgehend unbeschädigt.
Mit dem Vorwissen um die Historie des Littmann-Baus mit dem hohen Niveau der Kulturschätze, die dieser beherbergt, wird die Größe der anstehenden Aufgabe deutlich – und warum so lange um das Was und Wie gerungen wurde und wird. Der amtierende Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) bezeichnete die Sanierung des Stuttgarter Staatstheaters daher nicht von ungefähr als „Jahrhundertaufgabe“.
Nach einer 5-jährigen Planungsphase wird es nun konkret: Die Pläne sehen unter anderem vor, entlang des Kulissengebäudes an der Adenauer-Straße einen Anbau zu realisieren, der rund 10.000 Quadratmeter Nutzfläche bringt und das Platzproblem lösen soll. Im Opernhaus wird zudem eine Kreuzbühne installiert und die völlig veraltete Computer- und Bühnentechnik wird auf den aktuellen Stand gebracht. Die Bauarbeiten sollen 5 Jahre in Anspruch nehmen und das Gebäude in dieser Zeit unbespielbar machen.
Ein großer Streitpunkt war und ist, wohin das Staatstheater ausweichen soll, damit das Programm weiterlaufen kann. Schon allein die Entscheidungsfindung in dieser Sache kann ganze Bücher füllen. Es wurden zahlreiche Vorschläge diskutiert, von denen einige besonders ‚phantasievoll‘ anmuten. Genannt sei hier vor allem die Trockenlegung des Eckensees und die anschließende Errichtung eines fünfstöckigen Baus an seiner Stelle.
Ganz vorn im Rennen waren neben dem alten Paketpostamt ein Standort an der Ecke Schillerstraße/Willy-Brandt-Straße sowie das Mercedes-Benz Museum. Anfang dieses Jahres sprach sich zunächst eine breite Mehrheit von Stadt, Land und Intendanz für das alte Paketpostamt am Rosensteinpark aus. Bevor dieses jedoch vorübergehend bespielt werden kann, wären 3 Jahre Umbauzeit nötig. Zudem standen dafür bis dahin noch unbestätigte Kosten von 50 Mio. Euro im Raum. Wie so oft sind die zu erwartenden Kosten nun dramatisch angestiegen – auf 116 Mio. Euro – weswegen die Stadt Stuttgart dem Vorhaben vor kurzem eine Absage erteilt hat. Seither herrscht Ratlosigkeit und der Zeitplan ist durcheinandergekommen.
Der Auszug aus dem Opernhaus und die Verlegung der Spielstätte in das Interim-Gebäude sollten ursprünglich 2024 erfolgen. Bei plangemäßer Umsetzung aller Bauvorhaben wurde davon ausgegangen, dass der Umzug in das dann sanierte Gebäude im Jahr 2030 ansteht. Es ist anzunehmen, dass dieser Zeitplan nun nicht mehr eingehalten werden kann.
Und nun? Der große Zeit- und Kostenhorizont für die Sanierung des Staatstheaters Stuttgart sowie der noch immer ungeklärte Standort des Interim-Baus stellen die Stadt vor die Herausforderung, eine weitere Großbaustelle zu eröffnen. Das sollte aber kein Problem darstellen, denn mit Großbaustellen hat Stuttgart ja mittlerweile Erfahrung sammeln können.
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