Keine hundert Jahre ist es her, dass mehrere Generationen als Gemeinschaft unter einem Dach zusammen lebten und sich als Familie gegenseitig durch Mehrgenerationenwohnen helfen und unterstützen konnten. Dieses Modell war zu dieser Zeit eine Selbstverständlichkeit.
Unsere zunehmend individualisierte Gesellschaft bringt viele neue Herausforderungen mit sich. Das Leben in großer Gemeinschaft wird nicht nur von vielen jungen Menschen abgelehnt, sondern auch durch äußere Einflussfaktoren erschwert. Die heutige Mobilität und Flexibilität, welche in der Berufs- sowie Alltagswelt gelebt wird, verlangt nach neuen gesellschaftlichen Konzepten und modernen Organisationsformen des Zusammenlebens. Zugleich ist die Lebenserwartung gestiegen: Wer heute 60 Jahre alt ist, hat im Durchschnitt noch über 20 gesunde und aktive Lebensjahre vor sich!
Mehr als die Hälfte aller Rentner spricht den Wunsch aus, bis zum Lebensende selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben zu dürfen; ggf. mit einer externen Hilfsperson eines Pflegedienstes. Die Vorstellung, den Lebensabend in einem Pflegeheim zu verbringen, ist für viele alte Menschen undenkbar. Die jüngere Generation hingegen hat andere Probleme: Familie und Job unter einen Hut zu bekommen wird zunehmend schwieriger, wenn man die eigene Unabhängigkeit beibehalten möchte.
Genau hier stellt das Mehrgenerationenhaus einen Schnittpunkt dieser Interessen dar. Aus diesem Grund erlebt das Mehrgenerationenwohnen ein großes Revival und wird aktuell immer beliebter. Denn eines ist sicher: Es liegt viel Kraft in der Gemeinschaft! Die ältere Generation fühlt sich aufgehoben und erhält Hilfestellung im Alltag, während die junge Generation vom Erfahrungsschatz profitieren kann und durch die zeitliche Flexibilität der älteren Mitbewohner, die auch sehr gerne mal einspringen, wenn bei einer vielbeschäftigten Familie Zeitnot besteht, Hilfe beziehen kann. Die Vernetzung der Bedürfnisse in dieser modernen flexiblen Organisationsform kann eine große Chance in der zukünftigen Lebensform von Jung und Alt sein – und das nicht nur innerhalb der eigenen Familie.
Einige Unternehmen und Stiftungen haben es sich nun zur Aufgabe gemacht, neue Konzepte für Mehrgenerationenhäuser zu entwickeln und lassen diese an verschiedenen Standorten Deutschlands entstehen. Vor allem Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil oder aus finanziell schwierigeren Verhältnissen sollen von diesem Konzept profitieren. Aber auch für Gutbetuchte sind aufgrund der großen Nachfrage spannende Projekte in der Planung. Eine weitere Besonderheit und ein Novum an diesen Konzepten soll es sein, dass nicht nur Senioren integriert werden, sondern auch Studenten-WGs. Die jungen Studenten wohnen zu günstigen Mietkonditionen und können ihrerseits die eine oder andere helfende Hand anbieten. Dies kann im Zuge gegenseitigen Gebens und Nehmens geschehen oder aber im Rahmen kleinerer bezahlter Dienstleistungen, ganz flexibel und nach Bedarf. Auch Senioren-WGs sollen integriert werden, um Altersvereinsamung entgegenzuwirken. All dies ist Ausdruck des Anspruchs, nicht nur die verschiedenen Generationen zu vernetzen, sondern auch verschiedene Schichten der Gesellschaft durch Mehrgenerationenwohnen zusammenzubringen.
Um das WIR in der Gemeinschaft fördern zu können, wurde gerade architektonisch viel geleistet. Grundrisse, welche zu Kommunikation einladen, sind hierbei unerlässlich. Gemeinschaftsbereiche stellen den Dreh- und Angelpunkt des Mehrgenerationenwohnens dar. Beispielsweise ermöglicht eine große Küche, sich selbst in das Kochen für die Gemeinschaft einzubinden. Zudem ist es möglich, diesen Bereich anlässlich besonderer Veranstaltungen und Feierlichkeiten zu nutzen. Auch gemeinsame Bibliotheken oder Räume für Tanz- und Zeichenkurse oder ein kleines Heimkino sind vorhanden. Ein Spielplatz im Außenbereich lässt die kleinsten Mitbewohner aufblühen. Um zur eigenen Wohnung zu gelangen, gehen bei einem beispielhaften Konzept alle Bewohner Glasfronten von gemeinschaftlichen Cafés entlang und durchqueren zunächst den Innenhof. Diese offenen Strukturen ermöglichen es im täglichen Ein und Aus mit den Anwohnern zwanglos zu kommunizieren. Zudem sind die Wohnungen allesamt barrierefrei, also mit Aufzügen versehen, ohne Stufen oder Schwellen und somit auch im hohen Alter bequem erreichbar. Zwar übernehmen die Jungen viele Einkäufe, Haushalt und Gartenarbeiten, es können aber auch externe Pflegehilfen in Anspruch genommen werden, sodass keiner ausziehen muss, wenn er sich nicht mehr alleine in seiner Wohnung zurechtfindet. Aufgrund der Schnitte der Immobilien sind auch Senioren-WGs innerhalb der Wohnungen sehr einfach umsetzbar und fördern die individuellen Wünsche im aktiven Miteinander der älteren Generation. Da verschiedene Wohnungsgrößen unter einem Dach untergebracht werden, können Mieter individuell über die Größe sowie die Nutzung Ihrer Wohnung entscheiden, unabhängig davon, ob es sich um kleinere 1- bis 2-Zimmer-Apartments oder eine großzügige Penthouse-Wohnung handelt. Gäste sind selbstverständlich immer willkommen. Sollte sich Besuch ankündigen, steht ein Gästeapartment bereit, in welchem die Bewohner ihren Besuch unterbringen können.
Architekten sind der Überzeugung, dass dieses moderne und offene Konzept eines Mehrgenerationenhauses nicht nur gesellschaftlicher Vorreiter für neue Lebensformen, sondern auch im Umweltschutz sein wird. Intelligente ökologische Energie- sowie Ressourcenstrategien werden der heutigen Konsummentalität entgegengestellt. So verfügen die neuen Gebäude neben erhöhter Wärmedämmung auch über ein Blockheizkraftwerk, mehrere Gasbrennwertthermen und kontrollierte Wohnraumlüftungen sowie über gesonderte Wassersysteme mit Regenwasser für Waschmaschinen und WC-Spülung.
Fazit
Das Mehrgenerationenwohnen bietet insgesamt neue Chancen für Jung und Alt. Nun bleibt es spannend, wie gut das neue ‚alte‘ Wohnmodell von der Gesellschaft angenommen wird. Auch in Stuttgart gibt es bereits einige Mehrgenerationenhäuser, in denen Jung und Alt gemeinsam leben. Hier finden Sie einige aktuelle Projekte:
https://www.seniorenportal.de/mehrgenerationenhaeuser-in-stuttgart
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