Umbau des Kulturquartiers: Der Verein Aufbruch Stuttgart liefert Ideen

Umbau des Kulturquartiers: Der Verein Aufbruch Stuttgart liefert Ideen

44 Seiten, die Stuttgarts Stadtbild verändern könnten: Die überraschenden Ergebnisse des Ideen-Workshops des Vereins ‚Aufbruch Stuttgart e.V.‘ sind nun in einer kostenlosen Broschüre erhältlich. Sie dokumentiert die viel beachteten Vorschläge der fünf international renommierten Architekturbüros, die sich an dem Workshop beteiligten und deren Entwürfe die ‚Kulturmeile‘ Stuttgarts in neuem Glanz erstrahlen lassen könnten.

Eine Stadt, die sich immer wieder neu erfindet

Stuttgart ist einzigartig, denn eigentlich hätte es die Stadt schon wegen ihrer atypischen topografischen Eigenschaften niemals geben dürfen. Sie trotzte heftigen Kriegszerstörungen, zahlreichen städtebaulichen Irrungen – und steht nun vor einer weiteren riesigen Herausforderung: Schon länger wird in Politik und Öffentlichkeit darüber gestritten, wie die vom Autoverkehr beherrschte Stuttgarter ‚Kulturmeile‘ im Zentrum der Stadt in ein lebendiges und attraktives Viertel umgewandelt werden kann.

Im Rahmen der zahlreichen Debatten stoßen dabei besonders und immer wieder die Ideen der Bürgerinitiative ‚Aufbruch Stuttgart e.V.‘ auf lebhaftes Interesse. Schon die ersten Aktionen des erst im März 2017 gegründeten unabhängigen Vereins fanden in der Bürgerschaft viel Gehör. Vielleicht auch deshalb, weil ihre Mitglieder nicht mit harschen und direkten Worten sparen. So kritisierte zum Beispiel auch der Vorsitzender des Vereins, der bekannte Fernsehmoderator Prof. Dr. Wieland Backes, die ursprünglichen Umbaupläne der Stadt in den schärfsten Tönen. Backes sprach von einem „Irrweg“, von „Kosten an der Grenze zur Unanständigkeit“ und „Planungen, die der Wichtigkeit des Projektes nicht gerecht werden würden“.

Auch in der Politik lösten diese Aussagen Reaktionen aus. Und selten hat ein Oberbürgermeister den Plänen ebenso engagierter wie prominenter Bürger einen solchen Glattstrich erteilt wie Fritz Kuhn dem Verein Aufbruch Stuttgart e.V. Trotz aller Kritik begrüßte jedoch auch er ein so vehementes Einmischen in die Materie; schließlich bereichere eine kontroverse Debatte mit großer Reichweite die Frage, wie Stuttgart in Zukunft aussehen soll. So hält die Bürgerinitiative Aufbruch Stuttgart trotz gegenteiliger Planungen der Stadt Stuttgart weiterhin an ihren Ideen fest und rührt dabei fleißig die Werbetrommel.

Staunen, Verblüffung und Applaus

Rückenwind erhält die rasch wachsende überparteiliche Initiative Aufbruch Stuttgart e.V. aber auch vor allem dank der Entwürfe von fünf weltweit renommierten Architekten. Diese hatte der Verein Anfang November 2018 zu einem Workshop in die Landeshauptstadt von Baden-Württemberg eingeladen. Ihr Auftrag lautete, Ideen für eine menschengerechte Zukunft der sogenannten Stuttgarter ‚Kulturmeile‘ zu entwickeln – ohne jegliche Vorgaben und Verbote von Seiten des Vereins. Im Ergebnis brachte die professionelle neutrale Betrachtungsweise der Architekten gleich eine ganze Reihe von neuen Ideen und Perspektiven hervor.

Städtebauliche Aufwertung für jedermann

Vorrang für alle Architekturbüros aus Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz hatte dabei die Aufwertung der Stuttgarter ‚Kulturmeile‘ durch einen konsequenten Rückbau der B 14 auf zwei, maximal vier Fahrspuren sowie die Gestaltung attraktiver Stadträume mit Aufenthaltsqualität. Alle Teilnehmer waren sich auch darüber einig, dass die ‚Kulturmeile‘ das eigentliche Herz und der Mittelpunkt der Stadt werden soll. Sie solle für alle Einwohner und Touristen attraktiv werden – nicht nur für die Opern- und Theaterbesucher.

Große Skepsis gegenüber den bisherigen Plänen

Die von der Stadt geplante, sehr komplexe Sanierung des Opernhauses wurde dagegen von allen teilnehmenden Büros entschieden abgelehnt. Vor allem bemängelten die Experten den massiven Eingriff in die denkmalgeschützte Substanz des mehr als 100 Jahre alten, von Architekt Max Littmann gebauten Opernhauses. Der vorgesehene Einbau einer Kreuzbühne, bei gleichzeitiger Verlegung einer Außenmauer um sechs Meter, käme dem Versuch gleich, „aus einem Oldtimer einen Porsche machen zu wollen“, entrüsteten sich die Architekten. Zudem monierten sie die veranschlagten Baukosten, die Schätzungen zufolge die Marke von 800 Millionen Euro bereits überschritten haben. Mit diesem finanziellen Gesamtaufwand, sagten die Architekten, ließen sich vermutlich zwei neue Opernhäuser bauen. Eine sinnvollere Gesamtlösung ist in ihren Augen eine gründliche Sanierung und damit der Erhalt des Opernhauses, das in Zukunft vorrangig vom Ballett genutzt werden könnte, sowie der Bau einer dritten Spielstätte für das Stuttgarter Staatstheater.

Was passiert mit dem denkmalgeschützten Königin-Katharina-Stift?

Für hitzige Diskussionen in der Debatte um den Umbau der Stuttgarter ‚Kulturmeile‘ sorgte von Beginn an auch die Frage, was mit dem Schulgebäude des Königin-Katharina-Stifts geschehen soll. Auch die Meinungen der Architektenbüros gehen zu diesem Thema auseinander. Einig sind alle nur darin, dass die Lage als Schulstandort nicht optimal ist.

Das Münchner Büro Allmann Sattler Wappner verblüffte diesbezüglich mit einer Idee, die insbesondere in der Schweiz schon mehrfach praktiziert wurde: Das gesamte Gebäude soll ohne Abriss, sondern nur mit Hilfe von moderner Technik um bis zu 50 Meter verschoben werden. Damit könne genügend Platz für ein weiteres Kulturgebäude, ein Konzerthaus, ein Museum oder eine neue Oper geschaffen werden.

Die Basler Architekten von Herzog & de Meuron, unter anderem Erbauer der spektakulären Hamburger Elbphilharmonie, würden dagegen den denkmalgeschützten Altbau als Foyer eines neu gebauten Kulturgebäudes nutzen und ein neues Schulgebäude direkt an der B14 konstruieren. Der Entwurf der Schweizer erinnert jedoch auch an die New Yorker High Line, die über zwei Kilometer lange, nicht mehr als solche genutzte Güterzugtrasse im Westen von Manhattan, die von 2006 bis 2014 zu einer Parkanlage umgebaut wurde. Auch Herzog & de Meuron können sich die bestehende Stadtautobahn von Stuttgart mit einem ‚grünen Band‘ vorstellen, das sich unter aufgebrochenen Dächern durch die Tunnel zieht und auch generell mit zahlreichen Grünflachen für eine lebenswertere Atmosphäre sorgt.

Das aus Rotterdam stammende Team von KAW Architects betont dagegen die zentrale Rolle des Stadtraumes um die B14, die die Entwicklung der gesamten Innenstadt bestimmen wird. Ihr Vorschlag ist die Verlegung von offenen Sicht- und Fußgängerachsen im rechten Winkel zur B14, um die trennende Wirkung der aktuellen Verkehrsschneise aufzuheben.

Die Münchner Architekten von Allmann Sattler Wappner würden der ‚Kulturmeile‘ den Autoverkehr sogar nach und nach ganz entziehen. Ansprechend gestaltete öffentliche Räume, Höfe und Gärten sollen ihren Vorstellungen nach einen Kulturboulevard schaffen, der zum Flanieren einlädt.

Die interdisziplinäre Gruppe Urban–Think Tank aus Zürich argumentiert ähnlich. Die Schweizer schlagen eine Raumfolge aus Ufern, Staffeln und neuen Arkaden vor, die die Einwohner Stuttgarts und ihre Besucher das ganze Jahr über zum Flanieren und Verweilen einladen sollen.

Flaniermeile statt Verkehrsschneise

Alle Teams plädieren in ihren Entwürfen jedenfalls für entscheidend mehr Lebensqualität. Attraktive Plätze zum Verweilen werden ganz klar pragmatischen Verkehrslösungen vorgezogen. Die eventuelle Konstruktion eines Tunnels wurde von den meisten Teams dabei nicht definitiv ausgeschlossen, soll aber erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Alle Teams verurteilen zudem die ursprünglichen Pläne zum Umbau der Stuttgarter Oper, der in ihren Augen mehr einem Neubau gleichkommt. Dieses Projekt sei ein „völlig unkalkulierbares Abenteuer mit extremen Kostenrisiken“. Besonders verwundert zeigen sich die Architekten auch über die Tatsache, „dass bei den Plänen zur Opernsanierung der Denkmalschutz außer Kraft gesetzt wird, während er beim baugeschichtlich weniger bedeutenden Schulbau als zentrales Argument geltend gemacht wird.“

Broschüre dokumentiert Ergebnisse des Workshops

‚Aufbruch Stuttgart e.V.‘-Vorstandsmitglied Arno Lederer fasst die unterschiedlichen Entwürfe der fünf internationalen Architektenbüros wie folgt zusammen: „Der im November 2018 organisierte Workshop hat gezeigt, dass in Stuttgart bisher zu eng gedacht wurde. Wir sehen die Früchte dieser Initiative als ein Angebot an die Politik und Öffentlichkeit. Wir hoffen sehr, dass die Kommunalpolitik die Diskussion um Oper und ‚Kulturmeile‘ nicht vorzeitig für entschieden erklärt, sondern die hochkarätigen Entwürfe in ihre Entscheidungsfindung mit einbezieht. Denn die baulichen Fakten, die jetzt geschaffen werden, haben zentrale Bedeutung für die künftige Lebensqualität Stuttgarts.“

Mittlerweile hat der Verein Aufbruch Stuttgart e.V., in Zusammenarbeit mit dem büro uebele visuelle kommunikation und Thomas Geuder, Der Raumjournalist, auch eine 44-seitige Dokumentation des Ideen-Workshops mit zahlreichen Bildern und Plänen veröffentlicht. Die Publikation mit dem Titel „Aufbruch Kulturquartier“ wurde am 18. Januar 2019 von Wieland Backes und Arno Lederer auch an Oberbürgermeister Fritz Kuhn übergeben.

Die Broschüre kann kostenfrei bestellt werden unter der E-Mail Adresse: info@aufbruch-stuttgart.com

Mehr Informationen zu dem Projekt gibt es zudem auf der Webseite des Vereins Aufbruch Stuttgart e.V. auf www.aufbruch-stuttgart.com

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