Dr. Sebastian Schmidt spricht über die Digitalisierung und Dezentralisierung als Triebfedern einer veränderten Büroinfrastruktur.
von Martin Rudolph - Die Begriffe ‚Homeoffice‘ und ‚Remotearbeit‘ gehören mittlerweile zum Standardvokabular von Unternehmer*innen und Arbeitnehmer*innen gleichermaßen. Ihre Verbreitung macht den Umstand deutlich, dass sich die Art, wie Büroarbeit organisiert wird, im Umbruch befindet. Corona hat diesen Trend verstärkt und zwingt zum Nachdenken über neue Officekonzepte. Wir sprachen mit Dr. Sebastian Schmidt, Geschäftsführer der SleevesUp! Spaces GmbH, über mögliche Entwicklungen im Bürokontext und wie darauf angemessen reagiert werden kann.
Herr Dr. Schmidt, Sie haben Ihr Unternehmen SleevesUp! aus der eigenen Not heraus gegründet. Können Sie die mit der Gründung zusammenhängenden Umstände genauer beschreiben?
Dr. Schmidt: Das Coworking ist eher durch Zufall entstanden. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch ein anderes Unternehmen im Tech-Bereich und hatte dafür Bürofläche angemietet, die eigentlich viel zu groß war für unseren Bedarf. Die Fläche, die ich übrighatte, habe ich dann schreibtischweise weitervermietet. So ist die Idee für dieses Konzept entstanden. Die Fläche hat sich relativ schnell gefüllt, ohne dass wir dafür viel Marketing machen mussten.
SleevesUp! bedeutet ins Deutsche übersetzt ‚Ärmel hoch!‘. Welche Idee steckt hinter der Wahl dieses Firmennamens?
Dr. Schmidt: Wir wollen mit diesem Namen die Emotionen und das Mindset ansprechen, die zu unserer Zielgruppe passen: echten Unternehmer- und Machertypen, die nicht lange fackeln, sondern die Ärmel hochkrempeln und anpacken.
Wie profitiert diese Zielgruppe konkret von Ihren Dienstleistungen?
Dr. Schmidt: Unsere Hauptzielgruppe besteht aus Unternehmertypen, die als Chefs selbst noch in der Fläche mitarbeiten und Verantwortung für Kosten und Mitarbeiter tragen. Das sind zum Beispiel Berater, Architekten, Ingenieure usw. Wir haben über die Jahre gelernt, was diese brauchen und was nicht unbedingt benötigt wird bzw. unnötige Kosten verursacht, wenn es um das Thema ‚Office‘ geht. So haben wir unsere Zielleistung sehr genau auf diesen Bedarf zugeschnitten. Unsere Zielgruppe kann zum Beispiel auf einen großen Kaffee- oder Barristabereich oder ausgeprägte Hängematten-Lounges für Videocalls verzichten und freut sich eher über ein funktionaleres Office, das nicht unnötig Geld kostet. Damit können wir einen fairen Preis verlangen, den ich auch mit gutem Gewissen verantworten kann.
Ihr Unternehmen bietet Coworking und Shared Office Spaces an. Diese Idee ist nicht neu. Inwiefern unterscheidet sich das Angebot von SleevesUp! von dem anderer Anbieter am Markt?
Dr. Schmidt: Wir bieten Büros für kleine und mittelständische Unternehmen. Mit unserem Konzept bringen wir die Themen ‚Professionalität‘ und ‚Kosteneffizienz‘ unter einen Hut. Das heißt, wir bieten professionelle Office-Lösungen, die aber nicht zu teuer werden dürfen. Viele Anbieter im Markt gehen in die Premiumlagen und Top-Gebäude und dann kostet ein Schreibtisch gleich mal doppelt so viel wie bei uns. Das wollen wir vermeiden, weil wir schon früh gesehen haben, dass es den Bedarf nach flexiblen Office-Laufzeiten mit Full-Service-Konzept, also einer Plug&Play-Lösung, auch im KMU-Bereich gibt, für diese Zielgruppe aber noch so gut wie kein Angebot zur Verfügung steht. Zudem haben wir schon sehr früh auf eine hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit gesetzt. Wir haben viel Technik im Einsatz und unsere Prozesse sind durchdigitalisiert. Die Ersparnisse geben wir dann auch an unsere Kunden weiter.
Von 0 auf 100 zu Produktivität und Effizienz: Direkt am Killesberg, finden Kunden auf 811 m2 großzügige Räumlichkeiten für modernes Arbeiten (Quelle: www.sleevesup.de)
Corona ist in aller Munde. Die Pandemie verändert die Art, wie wir arbeiten, nachhaltig und treibt die Digitalisierung und Flexibilisierung im Office-Umfeld voran. Welche langfristigen Entwicklungen erwarten Sie hier konkret?
Dr. Schmidt: Der größte Effekt, den Corona auf die Officewelt hatte, ist die Erkenntnis, dass Remote Work doch funktioniert. Diese Erkenntnis führt dazu, dass sich Unternehmen überlegen, wie viel Bürofläche sie in der Zukunft überhaupt noch benötigen. Gleichzeitig fragen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Warum muss ich noch jeden Tag ins Büro fahren, wenn ich doch genauso gut von zu Hause oder remote arbeiten kann?“ Ich glaube, dass in der Zukunft etwas weniger Bürofläche benötigt wird, weil ein Teil davon über Homeoffice und „Third Places“, wie sie in unserer Branche gerne genannt werden, abgedeckt werden kann. Die Unternehmenszentrale wird keinesfalls verschwinden, aber sie wird eine andere Bedeutung bekommen; sie wird eher eine Begegnungsstätte werden, ein Ort des Zusammenkommens und kreativen Austauschs und ein repräsentatives Aushängeschild des entsprechenden Unternehmens. Wo der Mitarbeiter seine produktive Arbeit verrichtet, wird diesem in zunehmendem Maße selbst überlassen sein – Stichwort ‚New Work‘. Das bedeutet, das Office muss zukünftig flexibler und heterogener aufgestellt sein.
Welche Visionen haben Sie, um auf diese Veränderungen bei der weiteren Entwicklung Ihres Unternehmens angemessen zu reagieren?
Dr. Schmidt: Wenn wir 10 Jahre in die Zukunft schauen, streben wir an ein Netzwerk aus Office-Ressourcen zu schaffen, das diesen Trend von New Work auch infrastrukturell möglich macht. Das heißt, dass jeder Mensch einen professionellen Arbeitsplatz zur Verfügung haben soll, den er innerhalb von 5 Minuten von seinem Zuhause aus erreicht. Ich bin davon überzeugt, dass Reise- und Pendelzeit verlorene Lebenszeit ist und es zudem für die Gesellschaft und die Umwelt viele Vorteile hat, wenn Menschen weniger unterwegs sind. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie viel weniger damit beschäftigt sein werden, Bürostandorte zu unterhalten. In 10 Jahren wird man dann evtl. nur noch einen Flagship-Standort haben und der Bedarf an Office-Arbeitsplätzen für die Mitarbeiter an anderen Standorten wird dann nur noch über Dienstleister für eine professionelle Bürolösung abgedeckt.
Mit der Digitalisierung entsteht Dezentralisierung und Dezentralisierung erfordert veränderte Führungskonzepte. Ihr Familienunternehmen ist ein gutes Beispiel hierfür. Wie gestalten Sie Führung über mehrere Standorte hinweg?
Dr. Schmidt: Remote-Führung und dezentrale Organisation mussten wir von Tag 1 an lernen, weil ja ein Großteil unserer Mitarbeiter auf die 13 Standorte verteilt ist, die wir mittlerweile haben. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, auf einer Vertrauensbasis zu arbeiten und Verantwortung an die Mitarbeiter weiterzugeben. Die Mitarbeiter haben so mehr Eigenverantwortung, müssen sich selbst organisieren, eigene Entscheidungen treffen und haben dann aber auch mehr Freiheit, die Art und Weise zu gestalten, wie sie die vorher gesteckten Ziele erreichen.
Abschließende Frage: Welchen Rat möchten Sie jungen Familienunternehmerinnen und -unternehmern mitgeben?
Dr. Schmidt: Gerade wenn man etwas Neues und Innovatives machen möchte, wird oft der Fehler gemacht, dass zu viel Zeit am Reißbrett und mit der Planung verbracht wird. Dabei ist die einzige Erkenntnis, die wirklich etwas wert ist, die, die der Markt gibt. Man sollte sich daher so früh wie möglich im Markt bewegen und mit echten Kunden sprechen, selbst wenn das eigene Produkt noch nicht ganz ausgereift ist. Damit kann ich falsche Annahmen schnell finden und korrigieren und so mein Produkt nach und nach an echte Bedarfe anzupassen.
Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Schmidt, und Ihnen weiterhin viel Erfolg!
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