Interview mit Julia Häring, Kunsthistorikerin und Andreas Graf von Brühl, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Auktionshauses von Brühl in Stuttgart-West.
von Martin Rudolph - Während große Online-Auktionsplattformen wie eBay weltweit aktiv sind und alles versteigern, was in den Augen der Bietenden einen Wert besitzt, haben auch kleinere, lokal ausgerichtete Auktionshäuser ihre Nische gefunden. Eines von ihnen ist das Auktionshaus von Brühl in Stuttgart-West. Wir sprachen mit Andreas Graf von Brühl, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Auktionshauses von Brühl, und Julia Häring, Kunsthistorikerin und Auktionatorin in spe, um zu erfahren, wie sich ein Auktionshaus im Internetzeitalter bestmöglich aufstellt und was den Beruf des Auktionators besonders reizvoll macht.
Viele Menschen haben beim Stichwort ‚Auktion‘ Bilder von Auktionatoren vor Augen und das Klopfen von Holzhämmern in den Ohren. Ihr Auktionshaus ist auf Online-Auktionen spezialisiert. Wie genau laufen diese ab?
Andreas Graf von Brühl: Den Auktionshammer gibt es bis heute noch. Heutzutage sind die Auktionen sehr onlinelastig, das bedeutet, in unseren Live-Auktionen bieten Menschen von der ganzen Welt aus mit. Wir haben zum Beispiel oft Bieter aus Russland, China oder Amerika. Kunden können heutzutage über das Internet live auf unsere Auktionen zugreifen und mitbieten. Ein Mitarbeiter in unserem Auktionshaus bedient die Internet-Bietkonsole und hebt immer dann die Hand, wenn ein internationales Gebot abgegeben wird. Deshalb haben wir bei unseren Auktionen heutzutage eine Kombination aus Online-Live-Bietern, Telefonbietern, Saalpublikum und Vorgeboten, die vor der Auktion schriftlich abgegeben werden. Letztere stellen ca. 30 Prozent der Gebote in einer Auktion dar, wobei der Auktionator als ausführende Hand der schriftlichen Bieter mitbietet. Insgesamt stammen etwa 90 Prozent der Gebote in unseren Auktionen von internationalen Online-Bietern.
Julia Häring: Diese Zahlen zeigen, dass es sinnvoll ist, sich hier einem internationalen Markt zu öffnen. Online-Auktionen stellen somit unsere Reaktion auf die Globalisierung dar.
Andreas Graf von Brühl: Gründer des Auktionshauses von Brühl
Wie hat sich Ihr Auktionshaus seit der Gründung vor knapp 5 Jahren entwickelt?
Andreas Graf von Brühl: Durch die Übernahme mehrerer Auktionshäuser wie dem Auktionshaus Stetter haben wir schnell eine breite Kundenbasis gewinnen können. Wir konnten durch unsere hohe Online-Affinität auch eine große Reichweite und sehr viele Anfragen generieren. Wir haben darauf geachtet, dass wir hier eine niedrige Kostenstruktur haben und dass Verkäufer kein Kostenrisiko eingehen. Dadurch haben wir hier in Stuttgart schnell an Marktanteilen gewinnen können.
Welche Verbindung besteht zwischen dem Namen ‚von Brühl‘ und Meissener Porzellan, das sich ja auch in Ihrem Portfolio befindet?
Andreas Graf von Brühl: Der Namensgeber und Ahne Heinrich Graf von Brühl war Minister im Kurfürstentum Sachsen und hat sich im 18. Jahrhundert sehr stark für Meissener Porzellan eingesetzt. Er hat viel Geld in Kunst und Kultur investiert und es sind in dieser Zeit viele Objekte aus Meissener Porzellan entstanden, die heute auf dem Kunstmarkt Rekordpreise bringen.
Welche Gegenstände versteigern Sie neben Meissener Porzellan noch und warum haben Sie speziell diese ausgewählt?
Andreas Graf von Brühl: Unsere Kernthemen sind Schmuck, Münzen und Militaria. Das liegt zum einen daran, dass wir für diese drei Kategorien eine hohe internationale Nachfrage und viele Stammkunden haben. Zum anderen ist es bei diesen Objekten – anders als beispielsweise bei Möbeln – leichter, diese mit wenig Platzbedarf zu lagern. Wir sind zudem darauf fokussiert, Nachlassauflösungen zu machen – das sind über 90 Prozent unserer Aufträge. Dabei bieten wir unseren Kunden alles aus einer Hand an. Ich nenne das immer die drei As: Auktion, Ankauf, Auflösung. Unser Ziel ist es dabei, schnell, unkompliziert und zu Höchstpreisen einen Nachlass aufzulösen. Eine Villa mit 300 Quadratmetern wird von uns beispielsweise innerhalb von ein bis zwei Tagen komplett ausgeräumt. Die Top-Objekte kommen dann in eine internationale Online-Auktion, die weniger wertigen Dinge werden aufgekauft und an eine Haushaltsauflösung angerechnet. Haushaltsauflösungen machen wir mit eigenen Mitarbeitern und kümmern uns darum, dass die Immobilie anschließend veräußert werden kann.
Gibt es besonders spannende Gegenstände, deren Versteigerung Ihnen im Kopf geblieben ist?
Andreas Graf von Brühl: Wir haben vor kurzem einen kleinen und sehr unscheinbaren Jadeelefanten versteigert. Dieser war nur fünf Zentimeter groß und ist uns per Post zugegangen. Viele hätten ihn wohl auf dem Flohmarkt verramscht oder weggeschmissen. Er hat bei der Versteigerung letztlich knapp 14.000 Euro eingebracht. Zum anderen habe ich in meiner allerersten Auktion einen Kellerfund versteigert. Da habe ich von einer BNI-Kollegin aus meinem Business Netzwerk ein Gemälde in die Auktion mitgenommen. Das war zunächst auch sehr unscheinbar und stark beschädigt. Die Künstlerin war auf dem Auktionsmarkt bis dato unbekannt. Dieses Bild hat dann einen hohen 5-stelligen Betrag erzielt, was eine sehr große Überraschung war.
Julia Häring: Wir hatten auch einen Gedichtband von Hermann Hesse – ein handgeschriebenes und handkoloriertes kleines Manuskript. Es ist natürlich schön, so etwas in Händen zu halten, was auch historisch von so großer Bedeutung ist. Das sind immer die Highlights des Auktionswesens. In Zukunft haben wir in Aussicht, den Nachlass von Carl von Savigny versteigern zu dürfen. Dieser enthält zum Teil noch ungeöffnete Briefe. Das war eine große Überraschung und ist natürlich auch historisch sehr wertvoll.
Julia Häring: Kunsthistorikerin des Auktionshauses von Brühl
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich aktuell auf dem Markt konfrontiert, auf dem Sie agieren?
Andreas Graf von Brühl: Seit mehr als 10 Jahren, seitdem Portale wie eBay im Internet ihren Siegeszug angetreten haben, ist sehr viel Ware auf den Markt gekommen und es herrscht eine sehr hohe Transparenz. Das heißt, der Zugang zu Kunst ist wesentlich leichter geworden und dadurch sind die Preise massiv verfallen. In vielen Kategorien wie beispielsweise Teppichen oder Gemälden haben wir zum Teil Wertverluste von über 90 Prozent. Es gibt zum Glück aber auch diverse Fernsehsendungen, die bei den Zuschauern das Interesse und die Wertschätzung für Kunst und Antiquitäten wieder steigern. Manche von ihnen schauen dann im Keller oder auf dem Dachboden nach und setzen sich anschließend mit einem Auktionshaus in Verbindung. Davon profitieren wir dann wieder. Wir gehen damit insofern kreativ um, indem wir aktuell ein Online-Bewertungsportal (www.auktionsfabrik.com) aufsetzen. Hier kann man gegen ein geringes Entgelt Wertobjekte von Experten einschätzen lassen und man bekommt dafür ein Zertifikat ausgestellt.
Julia Häring: Wir haben gerade die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage, was Antiquitäten angeht. Da ist der Markt gerade gesättigt und die Nachfrage nicht so groß wie in den letzten Jahren. Das Prinzip eines Auktionshauses ist aber sehr beständig und krisensicher, da sich die Art der versteigerten Dinge ändern kann und das System trotzdem bestehen bleibt.
Herr von Brühl, sie haben 3 Kinder, das vierte ist unterwegs. Zudem sind Sie als Kommunalpolitiker aktiv. Wie bekommen Sie Privatleben, Unternehmertum und politisches Engagement unter einen Hut?
Andreas Graf von Brühl: Mein Erfolgsrezept ist es, zugleich fleißig und effizient zu sein. Mir ist mein Geschäft sehr wichtig und es macht mir sehr große Freude. Deshalb bin ich oft auch schon morgens um vier Uhr im Büro und nutze die drei Stunden vor dem Frühstück mit der Familie, um noch einiges abzuarbeiten. Zudem plane ich genau, sorge für kurze Wege und habe auch gute Mitarbeiter, auf die ich mich verlassen kann. All das spart mir sehr viel Zeit, die ich dann mit meiner Familie verbringen kann.
Herr von Brühl, was war Ihr bisher schönstes privates Erlebnis?
Andreas Graf von Brühl: Ich bin mit meiner Kindergarten- und Sandkastenliebe verheiratet und diese lange Beziehung ist mit 3 Kindern gekrönt. Das i-Tüpfelchen ist nun Kind Nummer vier, das im März 2020 erwartet wird.
Herr von Brühl, abschließende Frage: Welchen Rat möchten Sie jungen Familienunternehmerinnen und -unternehmern mitgeben?
Andreas Graf von Brühl: Ich finde es sehr wichtig, dass man sehr früh aufsteht. Mein Erfolgsrezept ist es, morgens schon zwischen 4 und 5 Uhr im Büro zu sein. Wenn das Telefon noch nicht klingelt, kann man sehr effektiv und wesentlich konzentrierter arbeiten. Zudem ist es wichtig, innovativ zu sein, stets neue Ideen zu haben, jeden Tag als neue Chance zu sehen und sich Dinge vorzunehmen, die realistisch sind und die man dann auch sofort umsetzt. Gut ist es auch, nicht zu viel zu wollen, denn es bringt nichts, wenn eine Firma so groß ist, dass man sie nicht mehr überblicken kann. Zu guter Letzt sollte man ein gesundes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben finden und nicht den Anspruch haben, dass das Unternehmen unendlich wächst.
Vielen Dank, Frau Häring und Herr von Brühl, und Ihnen weiterhin viel Erfolg!
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